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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Gegenteil. Ein sechster Reiter brach aus dem Wald, auch er auf einem riesigen weißen Pferd und ähnlich gekleidet wie die anderen, aber größer und mit einem roten statt eines weißen Umhanges bekleidet. Er lenkte sein Tier zu dem der Übrigen, blieb stehen und redete eine Weile mit ihnen. Raskell konnte die Worte nicht verstehen, aber er hörte die Stimmen – seltsame, helle und doch kräftige Stimmen, nicht die von Menschen, sondern von…
    »Es sind Elfen, Raskell«, sagte eine sanfte Stimme hinter ihm. »Lachoir von den Elfenkönigen und fünf seiner Getreuen.«
    Raskell saß für einen Moment starr, dann fuhr er mit einem unterdrückten Schreckensruf herum.
    »Hab keine Furcht«, sagte Harbo leise. »Dir geschieht nichts.«
    Raskeils Blick wanderte unsicher zwischen dem kleinen Mann und den Weißgekleideten (wie hatte er sie genannt? Elfen? Elfen!) hin und her.
    Harbo kam mit zwei, drei raschen Schritten näher und setzte sich neben ihn.
    »Wo… wo kommen Sie her?«
    »Ich?« Harbo lächelte. »Ich war die ganze Zeit da, Freund Raskell. Dicht bei euch.«
    »Ich habe nichts bemerkt«, sagte Raskell verblüfft.
    »Natürlich nicht. Kein Halbling würde mich hören oder sehen, wenn ich es nicht wollte.«
    »Halbling?«, wiederholte Raskell erstaunt. Und dann, von einer Sekunde auf die andere, begriff er.
    »Du bist kein Mensch!«
    Harbo schüttelte sanft den Kopf.
    Raskell atmete tief ein. »Du«, begann er stockend, »du bist ein Waldtroll.«
    Harbo nickte. »Ja, Freund Raskell. Ich bin froh, dass du es von selbst erkannt hast. Ich mag einen Freund nicht belügen.«
    Allmählich begann Raskell zu begreifen, was er da gerade gesagt hatte. »Aber ihr…«, stotterte er. »Ich meine, du… ihr…«
    »Du meinst, wir sind ausgestorben?« Harbo lächelte. »Nein, Freund Raskell. Wir gingen nur fort, als ihr kamt. Diese Welt gehörte uns lange vor euch, und sie wird uns gehören, wenn ihr wieder gegangen seid. In der Zwischenzeit mag sie euch gehören – oder ihr mögt es wenigstens glauben.«
    Raskell fühlte sich immer noch wie betäubt. »Aber wieso hat niemand je von eurer Existenz erfahren?«, fragte er.
    »Oh, es gab immer Menschen, die von uns wussten, Freund Raskell. Es gab immer welche, und es gibt sie noch. Und viele glauben an uns, ohne einen Beweis nötig zu haben. Und manchmal finden sie auch den Weg zu uns.«
    »So wie… Holm«, sagte Raskell stockend.
    Harbos Gesicht verdunkelte sich für die Dauer eines Lidzuckens. »Ja«, sagte er dann. »Wir sind vorsichtig, Freund Raskell, und so mancher hat uns sein Leben lang vergeblich gesucht. Nur wenigen ist es gestattet, uns zu sehen und den Weg in unsere Welt zu finden. Wir geben Acht, wen wir einlassen. Aber auch wir sind nicht unfehlbar, und es gibt Menschen, die nützen ihr Wissen, um selbstsüchtigen Zwecken zu folgen. So wie Holm. Er kam zu uns wie viele, und er ging wie viele. Aber er kam zurück, und er brachte Fremde mit in dieses Tal. Männer wie dich, Freund Raskell, oder wie deinen Freund Jack. Männer mit Gewehren, die töten wollten.«
    »Warum habt ihr euch nicht gewehrt?«
    Harbo schweig einen Augenblick. »Warum? Warum überließen wir euch diese Welt, als ihr kamt? Heute mögt ihr stark sein, aber früher, zu Anfang, ganz zu Anfang, hätten wir darum kämpfen können. Wir taten es nicht. Gewalt ist keine Lösung, Freund Raskell.«
    »Und trotzdem sind diese Elfen…«
    Harbo schnitt ihm mit einer raschen Bewegung das Wort ab. »Sprich nicht weiter, Freund Raskell, bitte. Ein Elfenpfeil verfehlt nie sein Ziel, doch Lachoir kam nicht, um zu töten.«
    »Warum dann?«
    »Warum weht der Wind, Freund Raskell, und warum geht die Sonne im Osten auf? Warum müsst ihr Halblinge immer alles genau erklären und begründen, alles zerreden und alle Wunder herabzerren und zu Erklärlichem machen? Vielleicht werden sie euch warnen, so wie ich es versuchte, vielleicht werdet ihr umsonst jagen, ohne ein Wild zu Gesicht zu bekommen.«
    »Und warum«, fragte Raskell nach einer Pause, »bist du noch einmal gekommen?«
    Harbo zuckte die Achseln. »Du bist nicht wie Holm«, sagte er anstelle einer direkten Antwort. »Doch du bist schwach. Vielleicht wird Holm dich zwingen, Dinge zu tun, die du nicht tun willst.« Er sah Raskell ernst an, stand dann mit einer überraschend geschmeidigen Bewegung auf und deutete eine Verbeugung an. »Was immer geschehen mag«, sagte er, »versuche so zu bleiben, wie du bist.« Und noch bevor Raskell ihn nach der Bedeutung dieser

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