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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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sein Leben nach.
    Das Leben, das ihm so weit und voller Möglichkeiten erschienen war, hatte ihn an diesen kleingeistigen Ort getrieben. Einen kleingeistigen, aufreibenden Ort, von dem er nicht wegkonnte.
    Wenn er zurückschaute, wenn er versuchte, den Prozess nachzuvollziehen, der ihn hierher gebracht hatte, schien es ihm manchmal, als hätten kosmische und allmächtige Kräfte sich verschworen und ihm aufgelauert. Er war von Notwendigkeiten getrieben, in die Falle des Krieges geraten, in
finanziellen Schwierigkeiten gefangen, von der Liebe übertölpelt worden.
    In seiner Jugend hatte er eine unwiderrufliche Entscheidung getroffen. In einem energischen Moment hatte er sein Schicksal gewendet.
    Er konnte nichts daran ändern. Das wusste er, als er das Gehäuse abnahm, als er Drähte abklemmte und wieder anschloss. Die schweigenden Maschinen, die wie Hunde an ihre Riemen und Motoren angeschlossen waren, bedrückten ihn mit ihrer bloßen stummen Anwesenheit. Der Geruch der Sägespäne vermischte sich mit dem seines Schweißes.
    Aber irgendwie hatte die körperliche Arbeit auch etwas Befriedigendes, das Alleinsein in der großen Werkstatt, Öl an den Händen und Sägemehl im Haar. Allein mit den großen Maschinen, die wie er waren, schmutzig und zäh, harte Arbeit gewohnt, schweigend in ihre Lage ergeben … Er schloss die Bandsäge an den Motor einer überflüssigen Drehbank an.
    Es war lächerlich zu sagen, sein Leben sei ruiniert, wenn er eine Frau hatte, die ihn liebte, ein Geschäft und ein Haus, sodass man ihn fragen könnte: Was willst du denn noch? Was wollte er noch, außer dem Unmöglichen, die Geschichte zu ändern, zurückzugehen und das Gewebe seines Lebens aufzudröseln?
    Bei der Arbeit drehte sich in seinem Kopf alles, vor und zurück, positiv und negativ, während er Drähte verzwirbelte und anschloss. Als er den Schraubenschlüssel in die Hand nahm, als er den stromführenden Stecker aufhob, als ein Stromschlag ihn durchfuhr und ihn sofort zu einem pulsierenden Leiter machte. Als die Kraft des Stroms ihn wie eine Stoffpuppe durch die Werkstatt schleuderte, auf dem Rücken, glühend, seine Venen ein einziges Strömen, negativ-positiv, positiv-negativ …

    Was ging meinem Vater durch den Kopf im Augenblick der Todesnähe? Was offenbarte sich ihm, als er flog? Nichts, nur ein Betonpfeiler, der ihm den heißen, qualmenden Stecker aus der Hand schlug. Mein Vater fiel hin und lag eine halbe Stunde lang bewusstlos in den Sägespänen.
    Was muss das für eine friedliche halbe Stunde gewesen sein, versunken im tiefsten Vergessen, als er schlafend auf dem Boden der Werkstatt lag, im wahren Zentrum seines Lebens, und dachte, er sei tot.
    Aber dann erwachte er, stellte fest, dass er noch lebte, und rappelte sich hoch. Geschlagen, verbrannt, erschöpft, ungewiss verschloss er die Werkstatt, stieg in seinen Wagen und fuhr zitternd nach Hause zu seiner schlafenden Frau.
    Dies sind die Wörter, die meinen Vater damals verschlangen: Stumpfverbindung und Überlappungsverbindung, Nuthobel und Schmirgelschleifmaschine, Stemmeisen, Bleifeile, Hohlbeitel. Er war gefangen in der Begrenztheit seiner Möglichkeiten. Eingespannt in den Schraubstock einer Tat, die er nicht rückgängig machen konnte.

Zehntes Kapitel
     
    Moses beklagte sich bei Gott. Er sagte: »Der größte Tag meines Lebens war der, an dem ich auf den Sinai stieg und die Torah erhielt.« Gott sagte: »So ist es.« Moses fuhr fort: »Und weißt du, was der schlimmste Tag meines Lebens war? Der Tag, an dem die Kinder Israels in Refidim gegen die Amalekiter kämpften. Ich musste oben auf dem Berg sitzen und den ganzen Tag die Arme in die Luft halten. Solange sie oben waren, gewannen wir, und wenn ich sie fallen ließ, machten wir Verluste.« Und nach einer Pause fuhr er fort: »Ich konnte nicht mitkämpfen. Ich konnte
nichts tun, außer dort zu sitzen. Du hast mir nicht die Kraft zum Kämpfen gegeben, aber mich verantwortlich gemacht für den Tod meiner Soldaten, wenn ich keine Kraft mehr hatte, die Arme oben zu halten.« Gott bedachte dies und sprach: »Aaron und Hur waren da, um dir die Arme hochzuhalten.« Moses sagte: »Es war der erniedrigendste Tag meines Lebens.«
    Warum bereitete dieser Vorfall Moses solchen Kummer? Weil sich ihm hier eine Wahrheit über das Leben enthüllte. Er als Einzelner hatte keinerlei Macht. Er war nicht mehr und nicht weniger als ein Leiter für die Macht Gottes.
    Seine Verantwortung war groß, und groß war auch seine

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