Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
ins Gedächtnis rufen. Wollt ihr eine Tasse?«
Seine lächelnden Augen funkelten, als er sich an uns wandte. Wir nickten alle gleichzeitig, auch wenn meine Abneigung gegen Fel-Tee inzwischen fast körperlich geworden war. Umständlich kramte Earl Hawkin Tassen und Untertassen her, und als er uns schließlich jedem eine Tasse mit ganz normalem Tee gab, der genauso roch wie der, den Schwester Mary immer gemacht hatte, war ich sehr erleichtert. Er hatte sogar ein Kännchen Milch und ein goldenes Schälchen mit Zucker bei der Hand. Ich kannte Tee nur vom Geruch her, gekostet hatte ich ihn im Kloster nie, aber als ich es jetzt tat, erinnerte er mich an Schwester Marys Lachen.
»Doktor Felman bringt mir oft Dinge aus der Welt der Menschen mit«, sagte Earl Hawkin. »Ich halte mich nämlich gern auf dem Laufenden über die wissenschaftlichen Entwicklungen unserer alten Feinde. Mir scheint, ihre Wissenschaft und unsere Magie gleichen sich immer stärker aneinander an.«
Während ich Emma und mir Milch in den Tee goss, zwängte sich Earl Hawkin an seinem Schreibtisch vorbei zu einem Bücherregal. Hunderte von alten Texten standen dicht an dicht nebeneinander. Ich hätte am liebsten jedes einzelne Buch aufgeschlagen und den klammen Geruch der Seiten eingesogen, aber das Buch, das Earl Hawkin nun herauszog, sah brandneu aus.
»Entwicklungen wie zum Beispiel diese«, sagte er.
Ich war perplex: Von dem Buchumschlag sah mich Stephen Hawking mit seinem schiefen Lächeln an. Es war eine Ausgabe von Eine kurze Geschichte der Zeit , die mir Schwester Mary schon vorgelesen hatte. Ich hatte das Gefühl, als blicke ich in das Gesicht eines alten Freundes. Earl Hawkin sah meine Verwunderung.
»Dieser Bursche hat – für einen Menschen – ein äußerst sicheres Gespür«, sagte er. »Trotzdem darf ich in aller Bescheidenheit sagen, dass ich meinem … entfernten Verwandten in puncto Forschung zehn Jahre voraus bin.«
Fast verschluckte ich mich an meinem heißen Tee, weil ich fragen wollte, ob Stephen Hawking tatsächlich zum Teil Fel war. Earl Hawkin nickte mit breitem Grinsen – er hatte meine Gedanken gelesen.
»Ich habe ihn sogar einmal besucht, um Aufzeichnungen mit ihm zu tauschen, aber das wird er wohl nur als Traum in Erinnerung haben«, sagte Earl Hawkin.
Egil trat von einem Bein aufs andere und räusperte sich nervös.
»Ich weiß ja, dass ich nicht alles weiß«, sagte er in sehr erwachsenem Ton, »aber über wen sprechen wir eigentlich?«
»Ach, über niemand Besonderen«, sagte Earl Hawkin, zwinkerte mir zu und wollte das Buch wieder auf seinen Platz im Bücherregal stellen. Wenn aber aus einem derart vollgepackten Bücherregal ein Buch genommen wird, schließt sich die Lücke natürlich sofort. Earl Hawkin kam ziemlich ins Schwitzen, als er versuchte, wieder einen Platz zwischen den schweren, alten Büchern zu finden.
»So, Kinder, wir sollten nun zur Sache kommen«, sagte er schnaufend. »Ich habe erfahren, dass euch Gullkins Polizei aus der Dunklen Seite verjagt hat.«
Wir nickten. Er benutzte inzwischen einen Teelöffel als Hebel und versuchte so, eine Lücke im Bücherregal zu schaffen. Emma sah mich verstohlen an und grinste hinter vorgehaltener Hand.
»In diesem Fall müssen wir euch sofort an einen sicheren Ort schaffen.«
Der Teelöffel verbog sich und unter Fluchen und Scheppern warf ihn Earl Hawkin zu Boden. Mit rot angelaufenem Gesicht zupfte er sich sein Jackett zurecht, dann gab er auf und legte das Buch in einen Schubkasten. Er wandte sich an Egil.
»Ich schlage vor, du bringst sie zu Doktor Felman.«
»Dort war die Polizei auch schon«, sagte Egil. »Doktor Felman musste selber fliehen. Zum geheimsten Ort.«
Earl Hawkin strich über sein Kinn und nickte ernst.
»Dann bringen wir sie am besten auch dorthin.«
»Genau das haben wir vor«, antwortete Egil, »aber die Polizei ist überall. Sie durchsuchen jeden Wagen, jede Kutsche. Wir kämen nie aus der Stadt heraus.«
Earl Hawkin überlegte einen Augenblick, dann hellte sich seine Miene auf.
»Wir könnten sie als Thrulls verkleiden. Noch besser, als einen einzigen Thrull. Das Mädchen setzt sich auf die Schultern des Jungen und wir ziehen ihnen einen langen Mantel über …«
Egil blinzelte nervös, als er diese absurde Idee hörte, betrachtete seine Schuhe und räusperte sich. Earl Hawkin hatte eindeutig recht gehabt, als er sagte, er sei nicht sehr praktisch veranlagt.
»Mein Großvater meint, Sie könnten die beiden vielleicht in
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