Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Wieder einmal fiel ihr auf, wie ähnlich sie Gavino sah. An manchen Tagen hatte er denselben freudlosen Ausdruck, wenn er vom Heimweh überwältigt wurde und sich nach dem sonnigen Sardinien sehnte. Aber meistens riss er sich zusammen, obwohl das Leben in Hamburg für ihn bestimmt nicht einfach war.
Ich müsste mich auch zusammenreißen, dachte Sheila. Sie streckte ihrem Spiegelbild die Zunge raus, verließ das Badezimmer und ging nach unten in den Aufenthaltsraum, den sie aber leer vorfand. Als sie sich suchend umblickte, sah sie durchs Fenster, dass sich die Klasse vor dem Haus versammelt hatte. Frau Kolb und Herr Sumpf waren offenbar dabei, Anweisungen zu geben.
Sheila hastete durch den Flur nach draußen und gesellte sich zu den anderen.
»Da bist du ja«, sagte Frau Kolb und nickte ihr zu. »Geht es dir jetzt besser? Maya meinte, du würdest dich nicht besonders wohlfühlen.«
»Ist schon okay«, murmelte Sheila.
»Es geht niemand allein ans Meer«, sagte Herr Sumpf zu der Klasse. »Frau Kolb und ich haben die Verantwortung für euch. Wenn ihr Freizeit habt, dürft ihr das Haus verlassen, denn wir wollen euch ja nicht einsperren. Aber bitte haltet euch an die Regeln und seid pünktlich zur vereinbarten Uhrzeit zurück.«
Einige murrten, und es fielen Bemerkungen wie: »Wir sind doch keine Babys mehr!«
Sheila nagte nur an ihrer Unterlippe. Sie hatte sich schöne, einsame Spaziergänge am Meer vorgestellt …
»Kein Alkohol und keine heimlichen Partys«, redete Herr Sumpf weiter. »Wer sich nicht an die Abmachungen hält, wird nachHause geschickt. Verstehen wir uns? Die Jungs bleiben nachts in ihren Zimmern – und wehe, wenn ich einen bei den Mädchen erwische.«
Ein paar Mädchen kicherten, während die Jungs unbeeindruckte Gesichter machten.
»So, jetzt ist noch eine halbe Stunde bis zum Abendessen«, sagte Frau Kolb. »Sheila, Kristin, Maya und Bianca – ihr vier helft heute beim Tischdecken und räumt hinterher auch wieder ab. Die anderen haben bis zum Abendessen frei und können sich inzwischen ein bisschen umsehen.« Sie klatschte in die Hände, als gälte es, eine Schar Hühner zu verscheuchen.
»Der Aufschnitt war schon mindestens zwei Tage alt«, beschwerte sich Eva, als die Mädchen später in ihren Betten lagen. »Ich glaube, mir ist schlecht. Wahrscheinlich habe ich eine Lebensmittelvergiftung.«
Kerstin kicherte. »Du hättest ja auch nicht die ganze Wurst in dich reinstopfen müssen.«
»Ich mag nun mal keinen Käse«, gab Eva zurück. »Und etwas anderes als Wurst gab es ja nicht. Also, eins steht fest: Ein Viersternehotel ist das nicht.«
»Aber ganz fürchterlich ist es auch nicht«, meldete sich Maya zu Wort. »Wir können Tischtennis spielen, und habt ihr gesehen, dass im Aufenthaltsraum ein Klavier steht?«
»Ich hasse Tischtennis«, knurrte Eva.
»Und ich war eigentlich froh, mal ein paar Tage lang kein Klavier zu sehen.« Kerstin seufzte laut. »Mein Klavierlehrer ist die Pest. Er ist steinalt und zieht immer seine Schuhe aus, wenn ich beiihm Stunde habe. Und ich muss dann die ganze Zeit seine müffelnden Socken ertragen.«
»Iiii!«, quietschte Eva. »Das ist ja widerlich! Warum suchst du dir denn nicht jemand anders?«
»Weil meine Mum keinen Lehrer findet, der so billig ist und dazu auch noch ins Haus kommt.« Kerstin seufzte noch einmal. »Ich bin mit dem Opa echt gestraft.«
»Du Arme«, sagte Eva mitfühlend.
»Und wie findest du es hier, Sheila?«, wandte sich Maya unvermittelt an Sheila.
»Na ja«, antwortete Sheila zögernd. »Geht so.«
»Die Insel ist jedenfalls toll«, schwärmte Maya. »Ich freue mich schon auf die Wattwanderung.«
»Besonders auf die Wattwürmer«, spottete Eva.
»In Wittdün gibt es ein Wellenbad«, sagte Kerstin. »Hoffentlich gehen wir da mal hin.«
»Im Meer kann man ja leider noch nicht baden«, meinte Maya bedauernd.
In diesem Moment klopfte es und Frau Kolb steckte den Kopf zur Tür herein. »Ah, ihr seid schon alle in den Betten! Sehr schön.« Sie lächelte und tastete nach dem Lichtschalter. »Und ihr wisst ja, was in der Hausordnung steht. Punkt zehn geht das Licht aus. Und jetzt ist es so weit.« Sie knipste die Deckenbeleuchtung aus und es wurde dunkel im Zimmer. »Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«, antworteten die Mädchen im Chor.
Frau Kolb schloss die Tür.
Ein paar Sekunden blieb es ruhig, dann stieß Eva die Luft aus. »Um zehn Uhr Licht aus – das ist echt krass!«
»Ich bin noch überhaupt nicht müde«,
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