Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
rausprügeln wird, um sie nach ihrem Ebenbild zu schleifen, deshalb.«
Calvyn dachte eine Weile darüber nach. Tyrrak hatte nicht unrecht, entschied er, aber er wollte sich mit einem Urteil über Derras Behandlung der weiblichen Rekruten zurückhalten, bis er etwas länger dabei war. Trotzdem suchte er die Reihe der Wartenden ab, bis er die drei jungen Frauen entdeckte. Die Einzige, die er mit Namen kannte, war Jenna, die im Bett gegenüber schlief. Sie hatte sich am ersten Abend kurz vorgestellt, hatte sich dann aber wie er still im Hintergrund gehalten.
Die Gespräche an den Tischen der Rekruten drehten sich zwangsläufig um die jeweiligen Ausbilder. Mit gedämpften Stimmen wurde leidenschaftlich darüber debattiert, wen es nun mit welchem Korporal am schlimmsten erwischt hatte. Natürlich stand Derra im Mittelpunkt der Rufmordkampagnen. Trupp zwei aber schwieg die meiste Zeit, als fürchteten die Rekruten, ihre Korporalin könne das Gespräch irgendwie belauschen.
Nach dem Frühstück fanden sich die Trupps wieder auf dem Exerzierplatz ein und das Gebrüll begann von Neuem. Derra wiederholte während der ersten zehn Minuten sämtliche statischen Manöver: »Stillgestanden«, »Rührt euch«, »Rechts um«, »Links um« und »Aufschließen«, wobei Letzteres, wie Calvyn amüsiert feststellte, bedeutete, dass man den Abstand zum Nebenmann verringern sollte.
Mit dem Marschieren wurde erst begonnen, nachdem Derra mit dem stehenden Drill zufrieden war. Calvyn konnte nicht verstehen, was an dem Marschieren so schwierig sein sollte. Auf das Kommando »Vorwärts, Marsch!« setzte man den linken Fuß vor und hob den rechten Arm. Dann lief man los und schwang die Arme etwas höher und ausgestreckter in die Luft als gewöhnlich, bis jemand »Stillgestanden!« brüllte. Der Befehl zum Halt kam immer dann, wenn der linke Fuß aufsetzte, und dann musste man nur noch einen Schritt mit dem rechten Fuß machen und den linken danebensetzen. Nichts einfacher als das!
Derra machte das Ganze zweimal vor, und zwar einmal langsam und einmal im vorgeschriebenem Tempo.
»Habt ihr das alle begriffen?«, fragte sie dann.
»Jawohl, Korporalin«, schallte es zurück.
»Gut. Abteilung links! Im Gleichschritt, marsch!«
Calvyn stand am Ende des Trupps, als sie losmarschierten, und er bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen. Trupp zwei befand sich in einem heillosen Durcheinander! Arme und Beine schwangen wild in alle Richtungen.
»Links, rechts, links, rechts, links, rechts …«, brüllte Derra, die sich bemühte, einen Anschein von Ordnung in das Gewirr von Armen und Beinen zu bringen. »Kompanie, halt! Rechts um! Die reinste Katastrophe! Man könnte meinen, ihr habt erst letzte Woche laufen gelernt! Wenn ihr das nicht bald besser hinbekommt, werdet ihr hier jeden
Abend bis Mitternacht üben, und das zwei Wochen lang! Verstanden?«
»Jawohl, Korporalin.«
»Na los, noch mal von vorn …«
Korporalin Derra schimpfte und schrie noch eine ganze Stunde, jedoch mit überschaubarem Erfolg. Den meisten aus Trupp zwei gelang es irgendwann, im Gleichschritt zu marschieren, aber besonders ein bedauernswerter Rekrut hatte arge Schwierigkeiten. Der junge Mann konzentrierte sich so eifrig darauf, im Takt zu bleiben und dabei die Arme zu schwingen, dass er immer unkoordinierter herumzappelte. Irgendwann hob er dann den linken Arm und das linke Bein gleichzeitig, während der rechte Arm und das rechte Bein sich nach hinten bewegten und umgekehrt. Calvyn konnte kaum mit ansehen, wie der arme Junge holpernd vor- und zurückstampfte.
Am Ende des Unterrichts durfte Trupp zwei kurz austreten, bevor man sich vor dem Haupttor zur ersten Sportstunde sammelte. Calvyn nutzte die Gelegenheit, um seinen zusammengestauchten Zimmergenossen anzusprechen.
»Na, macht Derra dir das Leben schwer?«
»Du sagst es.«
»Mach dir nichts draus. Wenn du magst, können wir über Mittag oder abends ein wenig üben. Bestimmt kriegst du den Dreh raus, sobald die Korporalin dir nicht ständig im Nacken sitzt.«
»Glaubst du? Da wäre ich wirklich erleichtert. Es will einfach nicht klappen.«
»Wir hocken schließlich alle im selben Boot, und da sollten wir uns gegenseitig unterstützen, findest du nicht?«
»Das sehe ich auch so. Ich heiße übrigens Bek, und du?«
»Calvyn«, antwortete er und schüttelte die ausgestreckte Hand seines Gegenübers.
»Schön, dich kennenzulernen, Calvyn. Und danke.«
»Kein Problem. Wir sollten uns jetzt lieber beeilen.
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