Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
ihr euch auch für den Charakter der beiden verbürgt, wird ein Gericht doch immer dazu neigen, sich an die harten Fakten zu halten. Auch wenn wir annehmen, dass den beiden eine Falle gestellt wurde, bleibt doch der unglückliche Umstand, dass das Diebesgut an ihren Schlafplätzen sichergestellt wurde. Aufgrund meiner geringen Dienstjahre als Hauptmann und meiner Verwicklung in den Fall darf ich mich nur insofern an einem Gerichtsverfahren beteiligen, als ich die gefundenen Gegenstände als jene identifiziere, die aus meiner Unterkunft gestohlen wurden. Wenn ich mich vor Gericht mehr einsetzen soll, müssen schon Beweise vorliegen, die jemand anderen belasten. Und die große Frage ist doch: Wer könnte das sein?«
Der Hauptmann ließ seine Frage im Raum stehen.
»Könnt ihr Rekruten euch vorstellen, wer aus eurem Trupp einen Groll gegen euch hegen könnte? Oder wer so von Neid zerfressen wird, dass er euch auf diese Weise zu Fall bringen will?«
Unweigerlich tauchte Tyrraks Gesicht vor Calvyns innerem Auge auf, aber er schob den Gedanken entschlossen beiseite. Tyrrak war ichbezogen, aber nicht niederträchtig, sagte er sich. Er ging sorgfältig den gesamten Trupp durch,
entschied aber, dass niemand zu einer solch gemeinen Tat gegen einen Kameraden fähig war.
»Nein, Sir, ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus Trupp zwei so etwas tun würde«, erwiderte Calvyn mit Bestimmtheit.
Bek schüttelte schweigend den Kopf, als sich der Blick des Hauptmanns auf ihn richtete.
»Was ist mit Euch, Korporalin?«, erkundigte sich Tegrani bei Derra, die grübelnd die Stirn runzelte.
»Ich glaube, dass die beiden gutherziger sind, als ich es bin, denn ich hätte den Rekruten Tyrrak als möglichen Täter genannt«, sagte sie und blickte Calvyn scharf an. »Aber wenn ich länger darüber nachdenke, muss ich mich ihrem Urteil anschließen. Er ist ein Prahler mit einem großen Mundwerk, aber nicht berechnend genug, um eine solche Tat zu begehen.«
»Da Ihr nicht gerade für Eure Weichherzigkeit bekannt seid«, erklärte Tegrani mit einem schiefen Grinsen, »werde ich Eurer persönlichen Einschätzung der Rekruten Glauben schenken. Wenn aber irgendjemand da draußen versucht hat, diesen jungen Männer etwas anzuhängen, solltet Ihr diese Person entlarven, und das möglichst schnell.«
»Fällt euch jemand ein, der euch Böses wünschen könnte? Irgendjemand?«
»Niemand hier in der Burg, Sir«, antwortete Calvyn und ihm schauderte. Im Geiste sah er auf einmal Selkor vor sich, der die Hand ausstreckte und hasserfüllt mit seinem langen Zeigefinger auf ihn deutete.
»Ich weiß auch niemanden, Sir«, fügte Bek gerade rechtzeitig hinzu, um die Aufmerksamkeit von dem aufgewühlten Calvyn abzulenken.
»Gut, Korporalin, ich gebe Euch Zeit für eine Untersuchung. Ihr könnt eine Woche lang Nachforschungen anstellen,
aber nicht einen Tag länger. Bis dahin kommen die zwei ins Burgverlies.«
Der Hauptmann nahm das Bein herunter, stand auf und begann, im Raum hin und her zu schreiten. Die Korporalin und die beiden Rekruten blieben schweigend stehen und hörten auf das Klacken seiner Absätze und das leise Klirren seiner Sporen.
»Nach dem, was Ihr mir berichtet habt, ist anzunehmen, dass der Schuldige unter den Rekruten zu suchen ist, und ich schlage vor, dass Ihr Eure Untersuchungen genau darauf konzentriert, Korporalin … Ich werde mich nicht vor das Militärgericht stellen und allein aufgrund Eurer Aussage für die Unschuld dieser beiden hier eintreten. Wie gesagt, da müsst ihr schon handfeste Beweise erbringen. Ich gewähre Euch zwei Minuten, um mit Calvyn und Bek zu sprechen, aber ich erwarte, dass sie anschließend ins Verlies gebracht werden. Ist das klar?«
»Sicherlich, Hauptmann«, erwiderte Derra kurz.
»Viel Glück, Korporalin.«
»Danke, Sir.«
Mit einem letzten Blick auf die beschuldigten Rekruten lief der Hauptmann zur Tür und trat hinaus. Die Tür quietschte leicht, und obwohl sie aus massiver Eiche war, fiel sie mit einem deutlich metallischen Klang ins Schloss.
Korporalin Derras kantiges Gesicht durchzogen Falten der Wut. Sie holte tief Luft und sah die beiden jungen Männer an.
»Dass ihr eingesperrt seid, wird unsere Untersuchungen in gewisser Hinsicht behindern … aber vielleicht hilft es uns auch. Wenn ihr beide im Kerker sitzt, hat das zumindest den Vorteil, dass die wahren Täter glauben, ihr Ziel erreicht zu haben. Wir können nur hoffen, dass sie daraufhin unvorsichtig werden. Wir müssen
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