Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
Schluck Wein. Femke begann im Stillen zu zählen. Das Gift war stark und würde sehr bald Wirkung zeigen.
»Ich wüsste nun gern, General, ob Ihr eine Idee habt, wie wir ihn fassen können. Ich wünsche mir nichts mehr, als ihn neben den anderen drei Verrätern, die ich heute verurteilt habe, am Galgen hängen zu sehen. Habt Ihr einen Vorschlag?«
Der General kratzte sich nachdenklich am Kinn, während Vallaine erneut an seinem Wein nippte.
»Ein Zauberer, sagt Ihr?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. »Dann nehme ich an, er ist ein Meister der Täuschung und der Tarnung. Er kann überall in der Stadt sein und in jeder Gestalt auftreten. Hmm …« Der General tippte sich mit dem Finger gegen die Lippen.
»Junge Femke, du als Spionin weißt doch am besten, wie man sich unsichtbar macht. Sage mir, wie würdest du dich an Shaniers Stelle tarnen?«
»Das ist nicht weiter schwer, General. Bei den vielen Soldaten in der Stadt würde ich mich als Soldat verkleiden«, erwiderte Femke rasch.
»Das habe ich mir gedacht«, erklärte Surabar leise. »Einem
Schwindler könnte ich das Leben schon schwer machen, Eure Majestät, zum Beispiel, indem ich Passwörter einführe. Die Kommandanten geben die Passwörter aus und ich lasse überall in der Stadt Kontrollpunkte einrichten. Die Passwörter müssen nicht kompliziert sein, aber wenn man sie häufig wechselt, macht jemand, der nicht in den Mannschaftsquartieren lebt, leicht einen Fehler. Wer nicht das richtige Passwort nennt …« General Surabar hatte aufgeblickt, doch der Mann, der da vor ihm saß, war nicht der Kaiser. Surabar war für einen Moment geschockt.
»Fahrt fort, General. Eure Idee gefällt mir. Ich hatte gehofft, dass Euch etwas in der Art einfällt«, ermunterte Vallaine ihn. Seine Augen glitzerten in dem runzligen Gesicht. Er war sich nicht bewusst, dass seine Täuschung dahin war.
Femke wandte sich an den General und ihre Blicke trafen sich. »Zauberer sind unheimlich raffiniert, General«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. »Es ist sehr schwer, sie zu enttarnen. Aber ich denke, wir kommen ganz gut voran, nicht wahr?«
Der General war nach wie vor sprachlos.
»Seht Ihr«, fuhr Femke fort, »der Palast hier in Shandrim war schon immer eine Brutstätte für Lug und Trug, doch nie war es so schlimm wie in den vergangenen Monaten. Ich habe einige Übung darin, Täuschung und Wahrheit auseinanderzuhalten, doch sogar ich habe mich in dem jüngsten Wirrwarr der Ereignisse verheddert. Aber ich glaube, jetzt kann ich sämtliche Fäden entwirren.«
»Was redest du da, Femke? Hast du mir etwas verschwiegen?«, fragte Vallaine erbost.
»Oh nein, Lord Vallaine, ganz und gar nicht.«
»Lord Vallaine? Was willst du damit andeuten, junge Dame?«
»Ich deute gar nichts an. Ich stelle nur fest, was ohnehin
offensichtlich ist«, erwiderte Femke und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Ihr seid entlarvt, und ich möchte Euch noch mit Eurem Nachfolger bekannt machen, ehe Ihr Euer Leben aushaucht.«
»Was zum …?«, zischte Vallaine, doch ein Blick auf seine Kleidung und Hände brachte ihn zum Schweigen.
»Ihr hattet schon recht, mir wegen des Weins nicht über den Weg zu trauen, Vallaine. Doch Ihr habt mich zur falschen Zeit beobachtet.«
»Was hast du mir angetan?«, fragte Vallaine. Seine Hände begannen zu zittern, als er sich aus seinem Stuhl hochstemmen wollte.
»Ich habe Euch vergiftet, Lord Vallaine. Was habt Ihr denn gedacht? Da ich der Zauberei nicht kundig bin, musste ich auf das zurückgreifen, was ich am besten kann. Es war gar nicht so einfach, ein Gift zu finden, das einen Zauberer schnell außer Gefecht setzt, mir aber trotzdem genügend Zeit lässt, ihn vor seinem Tod noch zu befragen. Teuer war es auch. Zum Glück habt Ihr mir für die Erledigung meines letzten Auftrags so viel Gold zur Verfügung gestellt, dass ich mir um die Kosten keine Gedanken machen brauchte. Es ist doch erstaunlich, was man mit ausreichend Gold alles kaufen kann.«
»Du dumme Göre!«, zischte Vallaine. Mittlerweile schlotterten ihm die Arme bis hinauf zu den Schultern. »Gib mir das Gegengift, aber sofort. Merkst du denn nicht, was du Shandar antust?«
»Oh doch, Lord Vallaine. Ich weiß, was ich tue, nämlich genau das, was Ihr vor mir getan habt: Ich töte den Kaiser, um Platz zu schaffen für einen, der dieser Aufgabe besser gewachsen ist. Zumindest sehe ich das so. Ich weiß von dem Komplott, das Ihr mit Shalidar geschmiedet habt: Als der letzte Kaiser
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