Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte

dass er nun entlassen war.
    »Geht klar, Fräulein. Wenn ich noch etwas für dich tun kann, brauchst du mich nur zu rufen. Ich heiße Senhaile, Fräulein. Stets zu Diensten.« Ehe er die Tür hinter sich schloss, zwinkerte er ihr noch einmal zu.
    Femke ließ sich lautlos kichernd zurückfallen. Der arme Kerl, dachte sie, bemüht, kein Geräusch von sich zu geben, das er draußen hätte hören können.
    Als sie sich beruhigt hatte, war Femke wieder hellwach. Wie lange hatte sie schon nichts mehr zu lachen gehabt! Jetzt freute sie sich auf das heiße Bad. Die Entscheidung, was sie am nächsten Tag tun sollte, konnte warten, bis sie sich sauber und erfrischt fühlte.

7
    Calvyn legte ein trockenes Holzscheit auf das Feuer, worauf eine Wolke aus glühenden Funken emporstieg und durch die klare Nachtluft tanzte. Meister Jabal hüstelte, und Calvyn wandte sich ihm wieder zu, um mit der Lektion fortzufahren.
    Jenna war gerade zum Bach gegangen, um sich zu waschen, und Meister Jabal hatte Calvyn angeboten, ihm magische Formeln beizubringen. Doch Calvyn konnte sich
einfach nicht konzentrieren, er wurde immer wieder von seinen Vorahnungen abgelenkt, von dem eindeutigen Gefühl, dass seinen Freunden etwas Schlimmes passiert war oder passieren würde. Jabal hatte natürlich recht – Calvyn konnte nicht beeinflussen, was mit Bek, Derra und den anderen geschah. Doch für Calvyn war das nur ein schwacher Trost.
    »Es tut mir leid, Meister Jabal, ich war etwas abgelenkt. Bitte vergebt mir meine Unaufmerksamkeit«, entschuldigte er sich zerknirscht.
    »Nun gut, Calvyn, dann wollen wir einmal sehen, was du über magische Gegenstände weißt«, sagte Jabal. »In die Klinge deines Schwertes hast du magische Formeln eingearbeitet, also weißt du offensichtlich etwas darüber. Später werde wir dein Wissen weiterentwickeln, indem wir den Stab des Dantillus untersuchen und überlegen, mit welcher Bindungsformel der Großmagier den Stab mit so viel Macht ausstatten konnte.«
    Jabal hielt kurz inne und blickte in die flackernden Flammen des Feuers.
    »Fangen wir damit an, was Perdimonn dir beigebracht hat«, schlug er vor.
    Beim Gedanken an seinen alten Lehrer musste Calvyn unwillkürlich lächeln. Er dachte an die Zeiten zurück, die sie gemeinsam am Lagerfeuer verbracht hatten. Viele magische Formeln hatte ihm der alte Magier nicht beigebracht, doch Calvyn hatte bei ihm gelernt, was mit Magie alles möglich war und wie man mit Fantasie und den entsprechenden Runen die erstaunlichsten Dinge erreichen konnte.
    Magie werde, so Perdimonn, von zwei Faktoren beeinflusst: der Stärke der Kraftquelle und der Fantasie des Magiers. Mit Calvyn hatte er vor allem am zweiten Faktor gearbeitet.

    »Wenn Ihr damit meint, Meister Jabal, welche Formeln mir Perdimonn beigebracht hat, um Gegenstände zu verzaubern, so muss ich antworten: keine einzige«, erwiderte Calvyn zögernd. »Wir hatten gerade erst mit magischen Formeln begonnen, als sich Perdimonn von mir trennte, weil uns Selkor auf den Fersen war. Er hat mir allerdings sein Zauberbuch gegeben. Viele der Formeln darin dienen der Herstellung von Salben und Tränken gegen alle möglichen Beschwerden und Verletzungen.«
    »Aha«, erwiderte Jabal nachdenklich. »Dann standen die magischen Formeln, mit denen du die Klinge besprochen hast, wohl in dem Zauberbuch?«
    »Na ja, eigentlich nicht«, erwiderte Calvyn. Er kratzte sich im Nacken und überlegte, wie er es Jabal beibringen sollte. Die anderen Studenten an der Akademie hatten es für leichtsinnig gehalten, dass er sich Formeln ausdachte. Was würde Meister Jabal dazu sagen?
    »Also? Was war es dann? Wo hast du Formeln gelernt, mit denen man Magie an einen Gegenstand bindet?«
    »Ich … äh … ich habe sie mir ausgedacht, Meister Jabal«, murmelte Calvyn.
    »Du hast sie dir ausgedacht?«, rief Jabal entsetzt aus. »Ist das dein Ernst? Du hast sie dir einfach so ausgedacht?«
    »Na ja, Meister, nein, ich habe mir natürlich ausgiebig Gedanken gemacht. Ich habe mehrere Tage daran gearbeitet, die Runen in eine Abfolge zu bringen, die meines Erachtens die erwünschte Wirkung haben würde. Alle magischen Formeln, mit denen ich das Schwert belegt habe, habe ich von Sprüchen aus dem Zauberbuch abgeleitet. Ich habe einfach ein bisschen damit herumgespielt, bis sie dazu gepasst haben, was ich erreichen wollte.«
    »Herumgespielt!«, quiekte Meister Jabal ungläubig.
    Von der abschließenden Formel und der verschwundenen
Rune, die in den letzten Momenten