Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
des Schmiedens ungebeten in seinem Geist aufgetaucht war, erzählte Calvyn lieber nichts. Jabal sah nach allem, was er von Calvyn erfahren hatte, schon entsetzt genug aus.
»Ich war überzeugt, dass die Formeln funktionieren würden, Meister, und das haben sie auch – jede einzelne«, fuhr Calvyn fort. »Ihr habt es selbst bei dem Spruch erlebt, der die Klinge zu meinem Eigentum macht und bewirkt, dass man sie mir zurückgibt. Ich habe noch andere Eigenschaften eingearbeitet.«
Jabal atmete tief ein und sah Calvyn direkt in die Augen.
»Hat Perdimonn dir gesagt, dass du magische Formeln erfinden sollst?«, fragte er mit großem Ernst.
Darüber hatte Calvyn noch nie nachgedacht. Der alte Magier hatte immer betont, dass sich Magie anpassen ließ. Der Zahl der Runenfolgen und der möglichen Wirkungen seien keine Grenzen gesetzt. Begrenzt, so Perdimonn, sei nur die Vorstellungskraft dessen, der Magie betreibt. Doch hatte er Calvyn je ermutigt, eigene Formeln zu entwickeln? Calvyn wusste es nicht mehr genau. Er hatte sich von seinem Instinkt und seinem wachsenden Wissen leiten lassen.
»Nein, Meister. Perdimonn hat mir überhaupt nicht viel über praktische Magie beigebracht. Ich habe ihn nur so verstanden …«
»… und da hast du deine eigenen Formeln entwickelt«, ergänzte Jabal. Er seufzte tief. »Nun, dein Unwissen kann ich dir wohl nicht zum Vorwurf machen. Aber wenn du eine deiner selbst erfundenen Formeln aussprichst, spielst du mit dem Feuer. Es ist ein Wunder, dass dir noch nichts zugestoßen ist. Na komm, sehen wir uns einmal an, was du da geschaffen hast. In der Akademie konnte ich mir dein Schwert nicht genauer ansehen.«
Calvyn reichte Meister Jabal das Schwert samt Scheide
und sah zu, wie er die Klinge herauszog. Zu Calvyns Überraschung schimmerte sie unverkennbar blau. Einen Moment lang war Calvyn sprachlos.
»Was ist das?«, fragte Jabal interessiert. »Als Akhdar sie in deinem Zimmer aus der Scheide zog, hat sie nicht so geschimmert. Was hat das zu bedeuten?«
»Das macht sie nur, wenn das Böse in der Nähe lauert, Meister Jabal«, keuchte Calvyn, sprang auf die Füße und spähte in die Dunkelheit.
»Du willst doch wohl nicht sagen, dass ich böse bin«, lachte Jabal, drehte die Klinge in der Hand und fuhr sanft mit der Fingerspitze über die im Metall eingebetteten silbernen Runen.
»Nein, nicht Ihr, Meister Jabal«, erwiderte Calvyn nervös, »sondern etwas oder jemand in der Nähe. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich mein Schwert gern wieder an mich nehmen. Und es wäre gut, wenn wir die anderen herholten.«
»Haha, sehr witzig, junger Mann. Hier ist dein Schwert. Können wir jetzt fortfahren?«
»Ich meine es wirklich ernst, Meister Jabal«, wisperte Calvyn und drehte sich langsam, das Schwert in der Hand, um die eigene Achse. »Todernst. Holt die anderen, schnell, ehe es zu spät ist! Als die Klinge das letzte Mal diese Farbe angenommen hat, war Darkweavers Amulett in der Nähe.«
Meister Jabal, der langsam begriff, dass Calvyn ihn nicht auf den Arm nehmen wollte, sprang auf. Lomand erschien im Zelteingang und musterte den kampfbereiten Calvyn, der wie von Sinnen wirkte.
»Was hast du …«, begann er, doch Calvyn bedeutete ihm zu schweigen.
Jabal bat Lomand flüsternd, alle am Feuer zu versammeln, doch da geschahen schon mehrere Dinge gleichzeitig.
Calvyn fiel ein, dass Jenna allein im Wald war, und Lomand entdeckte einen der Naksadämonen, der sich lautlos von hinten an Calvyn heranschlich. Den Bruchteil einer Sekunde später bemerkte Calvyn den zweiten Naksa, der aus der Dunkelheit auf ihn zukam.
Lomand bewegte sich für seine Größe unglaublich schnell. An Jabal vorbei stürzte er sich mit seinem ganzen Gewicht von der Seite auf den Dämon und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.
»Ardeva!«, brüllte Calvyn, und während augenblicklich Flammen das Schwert umzüngelten, wappnete er sich gegen den Angriff des Dämons. Seit der Gorvath ihm die Seele genommen hatte, konnte Calvyn einiges über Dämonen in Erfahrung bringen. In der Akademie hatte er jedes Buch in seinem Zimmer nach diesem Thema durchforstet. Was er gelernt hatte, erwies sich an diesem Abend als überaus nützlich.
Dämonen verabscheuten das Feuer, das hatte er mehrfach gelesen, ebenso wie den Ratschlag, einem Dämon nie in die Augen zu blicken.
Die Augen waren die wohl mächtigste Waffe im beeindruckenden Waffenarsenal eines Dämons: Er zog sein Opfer erst in seinen Bann und machte ihm dann mit seinen
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