Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
Krallen durchbohrte«, gestand Akhdar. »Wo sind die anderen?«
»Weiß ich nicht.« Calvyn zuckte mit den Schultern.
»Kein Grund zur Sorge. Bis zum Morgen sind sie bestimmt wieder da.«
8
Meister Akhdar behielt nur teilweise recht. Meister Kalmar kehrte bereits kurz nach Mitternacht zurück, doch von Meister Chevery fehlte auch am nächsten Morgen noch jede Spur. Die drei Großmeister berieten sich und versuchten, eine geistige Verbindung zu ihm herzustellen – ohne Erfolg. Nachdem sie zusammengepackt hatten und die Pferde beladen waren, beschlossen sie, ihre Reise ohne ihn fortzusetzen.
»Lasst ihm das Pferd und ausreichend Vorräte da, damit er sie später findet«, ordnete Meister Akhdar an. »Wir müssen uns beeilen. Die Dämonen hatten es auf uns abgesehen. Jemand will verhindern, dass wir unser Ziel erreichen. Wer immer sie geschickt hat, könnte es wieder versuchen.«
Calvyn hatte eine recht genaue Vorstellung davon, wer die Dämonen geschickt hatte. Er vermutete stark, dass es Lord Vallaine war, fasste aber nach kurzem Nachdenken den Entschluss, den Meistern seinen Verdacht nicht mitzuteilen. Wenn sie glaubten, dass Selkor sie daran hindern wollte, sich mit Perdimonn zu treffen, so führte sie das möglicherweise zu der Annahme, dass Selkor einen Kampf fürchtete. Das würde ihr Selbstvertrauen stärken und sie zu größerer Eile anspornen.
Lomand war früh aufgestanden und hatte angefangen, das Lager abzubrechen, als hätte es die Ereignisse des Vorabends nicht gegeben. Er bedankte sich bei Calvyn, dass er ihm die Wunden geheilt hatte, und beglückwünschte ihn zu seiner Arbeit.
Calvyn heilte Jennas verstauchten Knöchel und ging dann mit ihr zum Bach, um vor der Abreise die Wasserflaschen aufzufüllen. Dort entfernte er auch ihre Narben.
Freudentränen kullerten Jenna über die Wangen, als sie mit den Fingerspitzen über ihre nun wieder makellose Haut fuhr.
Calvyn war gerührt von ihrem Glück.
»Eines Tages werde ich mich noch angemessen bei dir bedanken«, versprach Jenna, und ihr Blick ließ keinen Zweifel daran, was sie damit meinte. »Im Moment muss das hier reichen.«
Sie warf ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen innigen Kuss, der Calvyn den Atem raubte. Jenna war seine erste Freundin und Calvyn trieben der Kuss und ihr Versprechen vor Verlegenheit und Freude die Röte ins Gesicht. Als er Jennas Umarmung erwiderte, meinte er, sie müsse spüren, wie ihm das Herz gegen die Brust hämmerte. Es war ein herrliches Gefühl, das er sich am liebsten in alle Ewigkeit bewahrt hätte. Doch die Zeit drängte und nach einer Weile löste er sich mit einem wehmütigen Lächeln aus der Umarmung. Die beiden nahmen die Wasserflaschen auf und kehrten ins Lager zurück.
Wenn sich die Magier gefragt hatten, wo Jenna und Calvyn so lange geblieben waren, so sagten sie jedenfalls nichts dazu. Lomand hatte die Pferde gesattelt und getrenst, und als die Wasserflaschen verteilt waren, saßen alle sechs auf und machten sich auf den Weg. Lomand führte Meister Ivalos Pferd als Handpferd. Es trug einen Teil der Ausrüstung, die normalerweise auf die beiden Packpferde verteilt wurde.
Was die drei Magier mit Meister Ivalos Leiche und den Kadavern der Dämonen gemacht hatten, wusste Calvyn nicht. Er fragte auch lieber nicht danach.
Gegen Mittag gaben die Meister das Zeichen anzuhalten. Calvyn und Jenna, die annahmen, sie hätten Hunger, stiegen ab, um ein schnelles Mittagessen zuzubereiten. Doch Meister Jabal bedeutete Calvyn, zu ihm zu kommen. Calvyn reichte Jenna Hakkaaris Zügel, um nachzusehen, was los war.
»Da vorn kommt uns eine große Gruppe bewaffneter Männer entgegen. Was schlägst du vor? Sollen wir den Weg verlassen und warten, bis sie vorbei sind? Oder reiten wir weiter und hoffen, dass sie uns vorbeilassen?«, fragte Jabal. »Das ist dein Land, Calvyn, du kennst die Gebräuche besser.«
Calvyn dachte einen Augenblick nach und antwortete dann: »Es kommt darauf an, wer es ist, Meister Jabal. Kann ich erst sehen, wer es ist?«
Meister Jabal machte Platz und ließ Calvyn an die Spitze der Gruppe treten. Zunächst erkannte Calvyn gar nicht, was Meister Jabal meinte, weil er nicht wie die anderen im Sattel saß. Doch dann entdeckte er, dass sich in der Ferne hinter einigen Büschen Standarten bewegten. Er musste grinsen.
»So ein Zufall, Meister!«, rief er den Magiern zu. »Die schwarze Flagge mit dem blauen Kreuz, das ist Baron Keevans Standarte, und die weiße mit dem roten Pferd, das ist
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