Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
ich nicht«, beschwichtigte Perdimonn ihn. »Ich bin sogar sicher, dass er das schön sein lässt.«
»Und was macht dich so zuversichtlich?«, fragte Calvyn, bemüht, sich wieder zu beruhigen.
»Es ist noch etwas früh, das zu sagen, aber die Ereignisse der vergangenen Monate haben dich auf diesen Kampf vorbereitet. Sonst wärst du jetzt nicht auf dem Gobelin zu sehen.«
»Nur weil ich da abgebildet bin, heißt das noch lange nicht, dass ich auch gut vorbereitet bin, Perdimonn, und das weißt du ganz genau.«
Perdimonn seufzte und lächelte. »Ja, da hast du recht. Aber du hast eine Vorbereitung genossen, deren du dir im Moment nicht bewusst bist. Lass dich nicht aus der Fassung bringen, Calvyn. Wenn du dort bist, wirst du bereit sein. Vertrau mir. Habe ich dich jemals angelogen?«
Calvyn dachte kurz nach und lächelte dann. »Na ja, damals in der ›Schwarzen Katze‹, da hast du versprochen, du würdest nur noch ein letztes Getränk bestellen«, erklärte er verschmitzt.
Perdimonn lachte, und als Calvyn einstimmte, entspannte er sich zusehends.
»Wann machen wir uns denn auf den Weg zum Thron
der Götter?«, fragte er, den Blick erneut auf den Wandbehang gerichtet.
»Morgen geht es los, Calvyn. Wir können nicht riskieren, dass Selkor bereits genug Macht besitzt, um das Portal zu öffnen und die Götter in diese Welt zurückzubringen.«
»Warum heißt es überhaupt Thron der Götter?«
»Wenn du es siehst, wird sich deine Frage von allein beantworten«, erwiderte Perdimonn mit einem schiefen Grinsen. »Der Thron ist riesengroß und wurde nicht für Menschen errichtet, so viel steht fest.«
»Und warum wollen wir nicht, dass die Götter zurückkehren?«, fragte Calvyn verwirrt. »Das wäre doch gut, oder? Immerhin verehren die Menschen ja alle möglichen verschiedenen Gottheiten. Glaubst du nicht, dass sie froh wären, wenn sie ihre Götter wiederhätten?«
Perdimonns Stirn legte sich in Falten, und zum ersten Mal seit Langem beobachtete Calvyn, wie alle Fröhlichkeit aus seinen Augen wich.
»Die Götter, um die es hier geht, sind anders, als du dir das vielleicht vorstellst«, erklärte er ernst. »Natürlich gibt es Götter, die wir Menschen als ›gut‹ bezeichnen würden, weil sie die eine oder andere lobenswerte Eigenschaft haben. Aber die Mehrheit ist nicht so. Ich möchte sie nicht direkt mit Dämonen vergleichen, denn das sind sie nicht, aber sie stammen aus einer anderen Welt und haben völlig andere Wertvorstellungen als wir. Mit ihren übernatürlichen Kräften haben sie die Macht, große Wunder zu bewirken, doch bei der Ausübung dieser Macht können sie recht launenhaft sein. Als sie noch in unserer Welt waren, brachten sie mehr Unglück als Glück über sie. Man hat sie aus gutem Grund verbannt, Calvyn. Es wäre verhängnisvoll, sie wieder hereinzulassen.«
»Warum verehren die Menschen sie dann so?«, fragte
Calvyn überrascht. »Wenn sie keinen Einfluss mehr auf die Geschicke unserer Welt haben, warum beten die Menschen sie noch an?«
»Jeder Mensch braucht etwas, woran er glauben kann, Calvyn. Dazu kommen Unwissenheit und der unwillkürliche Wunsch zu glauben, dass alles grundsätzlich gut ist. Hast du schon einmal vom Krieg der Götter gehört?«
»Ja, natürlich, Perdimonn. Jeder hat vom Krieg der Götter gehört.«
»Wenn es Selkor gelingt, das Portal zu den Göttern zu öffnen, werden sie ihren Krieg fortführen, das steht fest. Er würde Unglück und Zerstörung über diese Welt bringen. Daneben würden unsere jüngsten Kriege belanglos wirken.«
Calvyn schauderte. »Du zeichnest ein grauenvolles Bild.«
»Grauenvoll wäre es in der Tat«, erwiderte Perdimonn. »Aber jetzt, Calvyn, verschieb das Grübeln auf morgen. Ich schlage vor, du gehst ins Bett, es ist schon spät.«
»Du hast recht. Gute Nacht, Perdimonn.«
»Gute Nacht, Calvyn. Schlaf gut.«
Calvyn ging in sein Zimmer, war aber innerlich zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Erst mehrere Stunden später döste er ein, doch sein Schlaf war unruhig und voller Albträume.
Als Calvyn kurz nach Sonnenaufgang aufstand, waren seine Lider so schwer, als hätte er die Augen nie geschlossen, und er fühlte sich schwach und antriebslos.
Seufzend blickte er in den Wandspiegel und strich sich mit den Fingern die Haare glatt. Er sah so erschöpft aus, wie er sich fühlte. Auch nachdem er sich das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen hatte, ging es ihm nicht viel besser.
Perdimonn hatte für die Abreise keine Zeit
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