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Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Titel: Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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sich über das Geschick des alten Mannes nur wundern, denn jedes Mal, wenn der Silberschmied die Kette auf den Amboss legte, gelang es ihm, in den wenigen Sekunden, die er es bearbeiten konnte, eine geradezu wundersame Veränderung herbeizuführen. Nach dem dritten Mal unterschied sich das Glied, abgesehen von einer feinen Linie an der Stelle, an der es einst zerbrochen war, nicht von den anderen.
    »Schnell«, stieß Edovar hervor, dem der saure Geschmack
im Mund mittlerweile die Kehle zuschnürte. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und obwohl er das Amulett nicht berührt hatte, hatte die bösartige Magie eine zerstörerische Wirkung auf ihn. »Den letzten Bluttropfen.«
    Selkor ließ den Blasebalg los und nahm das Keramikschälchen zur Hand. Edovar hielt die Kette mit der Zange über die Esse, während Selkor mit zusammengebissenen Zähnen das Blut auf das wiederhergestellte Glied tropfte.
    Was nun geschah, war überraschend und entsetzlich zugleich.
    Es gab einen blendenden Lichtblitz und einen ohrenbetäubenden Knall, sodass der Boden bebte und Fenster und Türen klapperten.
    Selkor zuckte zurück und schloss die Augen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen. Als er sie einen Moment später öffnete, tanzten gelbe Lichtpunkte auf seiner Iris und seine Ohren dröhnten. Zu seiner Verwirrung war Edovar verschwunden.
    Selkor blickte sich suchend im Raum um, bis sein Blick gut vier Schritt von der Stelle entfernt, an der Edovar gestanden hatte, auf den alten Mann fiel, der offenbar durch die Werkstatt geschleudert worden war und nun wie ein Häuflein Elend auf dem Boden neben dem Wandschrank kauerte. Als Selkor, dem kein Härchen gekrümmt worden war, das Amulett am Boden liegen sah, war es ihm einerlei, ob der Alte lebte oder tot war. Eine Welle der Kraft und der Magie durchströmte ihn, als er die Kette umlegte und den Talisman auf seiner Brust spürte. Jubelnd warf Selkor den Kopf in den Nacken und brach in Gelächter aus. Sein schreckliches Lachen ließ den Dorfbewohnern, die sich wegen des Lärms vor der Schmiede einfanden, das Blut in den Adern gefrieren.
    Ohne sich noch einmal nach dem reglosen Silberschmied
umzuschauen, schritt Selkor durch die Tür der Werkstatt, bestieg sein Pferd und ritt hinaus in die Nacht.
    Später wussten die Dorfbewohner nur noch, dass sie wie gelähmt waren, als die schwarz gekleidete Gestalt durch die Tür kam. Diejenigen, die der Tür am nächsten gewesen waren, schworen, der Mann habe nicht nur ein Silberamulett getragen, sondern seine Augen hätten auch silbern geleuchtet.
    Der alte Silberschmied, der noch immer halb sitzend, halb liegend an den Wandschrank gelehnt war, machte plötzlich einen rasselnden Atemzug. Es folgte eine lange Pause. Dann atmete Edovar röchelnd weiter.

6
    Jenna konnte nicht schlafen. Drei Nächte waren vergangen, seit Calvin bei dem Überfall auf den Spähtrupp verschwunden war, und noch immer gab es keinerlei Hinweise, wo er sein könnte. In der ersten Nacht hatte Jenna die Erinnerung an die harschen und ungerechten Worte geplagt, die bei ihrer letzten Begegnung gefallen waren. Wenn sie sich das Gespräch Wort für Wort in Erinnerung rief, war ihr die Brust wie zugeschnürt.
    »Hätte ich ihm doch nur gesagt, was ich für ihn empfinde«, warf sie sich immer wieder vor. »Hätte ich doch, hätte ich doch …«
    Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere und fragte sich, wo er wohl war und wie es ihm ging. Seit Jez ihr von
Calvyns Verschwinden erzählt hatte, war Jenna tief in ihrem Innern überzeugt, dass er nicht tot war – in tödlicher Gefahr vielleicht, aber nicht tot. Woher sie diese Gewissheit nahm, vermochte sie nicht zu sagen, doch so wurde sie wenigstens nicht vom Kummer zerfressen.
    Sie hatte Sergeantin Derra gebeten, eine Suchmannschaft loszuschicken. Derra hatte sie mit einem Mitgefühl angeblickt, das Jenna in ihrem sonst harten und abweisenden Gesicht noch nie gesehen hatte.
    »Wo sollten wir die denn hinschicken?«, fragte sie. »Wie viele Kämpfer sollen wir zur Rettung Korporal Calvyns abstellen? Wir wissen nicht, wo er ist, ja, wir können nicht einmal sagen, ob der Feind ihn überhaupt verschleppt hat. Kein Befehlshaber, der etwas taugt, würde seinen Leuten so einen Befehl erteilen. Es tut mir leid, Jenna. Uns sind die Hände gebunden.«
    Das war nicht die Antwort, die Jenna hatte hören wollen, doch sogar sie hatte Verständnis dafür. Solange sie nicht mehr darüber wussten, was nach dem Überfall mit Calvyn geschehen war, gab

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