Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
Gehorsam hielten Bek von unüberlegten Schritten ab. »Es ist allerdings merkwürdig«, fügte er nachdenklich hinzu, »erst Jennas Verschwinden und jetzt dieser innere Drang, Calvyn zu folgen. Es liegt etwas Eigentümliches in der Luft.«
»Also war Calvyn wirklich ein Magier?«, fragte Eloise zweifelnd.
»Er ist ein Magier«, verbesserte Bek sie. »Er bestreitet das zwar immer, doch er kann zaubern. Aber ich bin natürlich kein Fachmann auf diesem Gebiet.«
»Du glaubst, er lebt?«, fragte Eloise, überrascht, dass Bek so überzeugt in der Gegenwart von Calvyn sprach.
»So fest, wie ich daran glaube, dass die Sonne morgen früh wieder aufgeht. Frag mich nicht, woher ich diese Gewissheit habe, aber ich weiß, dass er zurückkommt.«
Beks Blick war in die Ferne geschweift, während er diese Worte sprach. Eloises Neugier war endgültig geweckt.
»Darf ich mal?«, fragte sie und streckte die Hand aus.
»Natürlich. Warum nicht?«, erwiderte Beck und zog das Schwert.
Mit einer ausholenden Bewegung übergab er Eloise das Heft. Er hatte schon oft erlebt, welche Wirkung dieses Schwert auf andere Menschen hatte. Balance und Gewicht stimmten einfach nicht, bedingt durch einen Zauber, mit dem Calvyn die Klinge belegt hatte. In Calvyns Hand war es leicht und ausbalanciert. Das behauptete er zumindest und er hatte es ja auch immer wirkungsvoll eingesetzt.
Als Eloise das Heft in die Hand nahm, blitzten die spinnenhaften silbernen Symbole in der Sonne kurz auf. Bek lachte, als er ihren verwunderten Blick bemerkte.
»Seltsam, nicht wahr?«, sagte er.
»Wir müssen es Calvyn bringen«, hauchte sie ehrfürchtig.
»Was hast du gesagt?«, fragte Bek. Sein Lächeln erstarb.
»Das Schwert … es gehört nicht hierher. Wir müssen es Calvyn schleunigst bringen. Kommt, Korporal. Wir holen uns Proviant beim Quartiermeister und brechen gleich auf. Ich weiß, wo wir hinmüssen.«
Bek blickte verblüfft in Eloises entrücktes Gesicht. Ihre Stimme klang traumverloren. Das waren die Worte, die er seit Wochen im Herzen trug. Wenn es aber nicht ihre Gedanken waren, so musste auch er beeinflusst worden sein. Bek standen die Haare zu Berge. Das war Magie, und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Etwas
oder jemand versuchte, ihn aus der Burg zu locken. Vielleicht war es das Schwert, vielleicht war es Calvyn, doch auf jeden Fall waren übernatürliche Kräfte im Spiel.
Was sollte er tun?
»Gut, Eloise«, sagte er beschwichtigend. »Damit niemand Verdacht schöpft, müssen wir vorher noch das Waffentraining zu Ende bringen. Ich gehe und packe unsere Sachen und Vorräte zusammen. Gib mir bitte das Schwert, dann brechen wir auf, sobald ich dich unauffällig von den anderen loseisen kann.«
Eloise reichte ihm Calvyns Schwert und ihr Blick wurde wieder klar. Bek rief Marco und Kedreeve.
»Gut, Jungs, ihr kämpft zur Übung zwei gegen einen. Eloise ist eure Gegnerin. Fangt langsam an und steigert allmählich das Tempo. Noch Fragen?«
»Nein, Korporal.«
Bek steckte erst Calvyns und dann sein Schwert in die Scheide.
»Gut. Dann fangt mal an, ich bin gleich wieder da.«
Mit diesen Worten machte er kehrt und ging mit großen Schritten davon. Allerdings führte ihn sein Weg nicht ins Lager des Quartiermeisters, sondern in Sergeantin Derras Dienststube.
Bek klopfte an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
»Korporal Bek, hast du denn überhaupt keinen Anstand?«, knurrte Derra, die hinter dem Schreibtisch saß, und blitzte ihn gefährlich an.
»Doch, Sergeantin, aber der kann warten. In der Burg ist Magie am Werk, und ich brauche Eure Hilfe, um dem ein Ende zu setzen.«
»Sag mir nicht, dass du auch Träume hast?«, fragte Derra, noch immer wütend.
»Nein, Sergeantin, das nicht. Hier – nehmt doch mal bitte Calvyns Schwert, dann seht Ihr, was ich meine.«
»Ich weiß, wie unangenehm es in der Hand liegt, Bek. Wenn das der Grund für deine mangelnde Ehrerbietung ist …«
Derra ließ den Satz unvollendet, doch Bek sprach unbeirrt weiter.
»Ich vermute, Ihr habt es seit Calvyns Verschwinden nicht mehr in der Hand gehabt. Überzeugt Euch selbst. Dann könnt Ihr mir immer noch einen Verweis erteilen, wenn es sein muss.«
Derras Augen verengten sich etwas. Sie stand auf, ging um den Schreibtisch und baute sich, die Hände in die Hüften gestützt, vor Bek auf. Bek zog das Schwert und hielt es ihr hin. Sie beäugte es misstrauisch und blickte dann forschend über Beks Schulter zum Fenster.
»Wenn Ihr Euch
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