Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
schneller, du bist hervorragend im Gleichgewicht. Konzentriere dich, dann bist du den meisten shandesischen Soldaten haushoch überlegen.«
Bek hatte seit seiner Rückkehr aus Mantor mehrere Rekrutengruppen trainiert. Warum diese ihm die liebste war, lag auf der Hand. Er konnte sich noch so oft einreden, dass Eloise nichts damit zu tun hatte – im Grunde seines Herzens wusste er, dass er sich etwas vormachte.
Doch der Trupp war überhaupt ein netter Haufen. Fesha heiterte mit seinen Witzen das Training auf. Auch im Umgang mit dem Schwert hatte der Spaßvogel in den vergangenen Wochen gute Fortschritte gemacht, obwohl er aufgrund seiner geringen Reichweite wohl nie zu einem richtig gefährlichen Schwertkämpfer werden würde.
Auch Sten, Kedreeve, Marcos und die anderen waren auf ihre Art angenehme Zeitgenossen. Bek wünschte sich nur, dass Matim, Calvyn und Jenna noch da wären. Erst war Matim bei Mantor gefallen, dann war Calvyn bei einem Überfall verschwunden und vor nicht allzu langer Zeit Jenna dasselbe widerfahren. Innerhalb weniger Wochen hatte er drei seiner besten Freunde verloren. Wer solche Verluste erlitten hatte, schloss nicht mehr so leicht Freundschaften, das galt auch für Bek.
»Gut, Eloise, versuch’s noch mal. Denk dran: Geduld. Nichts überstürzen.«
Eloise hatte ihm nachdenklich zugehört und machte sich bereit, erneut die Klingen mit dem Korporal zu kreuzen. Schweißperlen glitzerten auf Oberarmen und Stirn, doch
ihre Atmung war gleichmäßig und ihre Gesichtszüge gelassen. Als sie angriff, glommen in den grünbraunen Augen Wachsamkeit und Entschlossenheit. Ihre Bewegungen waren für jemanden, der die Kunst des Schwertkampfes erst so kurz betrieb, überaus gewandt.
Bek erlebte den Zweikampf wie einen Tanz mit dem Mädchen seiner Träume auf dem Mittsommerball. Der Rhythmus der aufeinandertreffenden Stahlklingen gab den Takt vor und aus der Harmonie ihrer Schritte sprachen Angriffslust und Vertrautheit gleichermaßen. Das Wissen um den jeweils nächsten Schritt des Gegners, das strikte Befolgen der Regeln für Gleichgewicht, Körperhaltung und Muskelspiel – all das glich auch für Beobachter einem Tanz, der wunderschön anzusehen war.
Nach mehreren Minuten brach Bek ab.
»Gut, Eloise. Das war schon viel besser. Hast du gespürt, dass du bei den Ausfallschritten besser ausbalanciert warst?«
»Ja, Korporal Bek. Danke, das war eine sehr gute Übung. Die Bewegungen kommen fließender. Und ich habe das Gefühl, dass ich die Schritte des Gegners besser voraussehen kann.«
»Das sieht man. Du wirst mit jeder Übungseinheit besser. Du musst nur noch deine Technik etwas verbessern, dann bestehst du auch gegen schnellere und stärkere Gegner. Dein natürliches Talent wird dir helfen. Du lässt dich nur zu oft in die Verteidigung drängen, deshalb musst du den Gegner abblocken oder schneller zum Gegenangriff übergehen. Ich bringe dir noch ein paar nützliche Tricks bei, aber am sichersten besiegt man einen Gegner immer noch mit Schnelligkeit, also werden wir daran weiterarbeiten.«
Eloise nickte nachdenklich. Die Aussicht, im Training auf absehbare Zeit immer unterlegen zu sein, entmutigte sie, doch sie war entschlossen, ihr Bestes zu geben. Immerhin
hatte sie Soldatin werden wollen, um zu kämpfen. So leicht ließ sie sich nicht unterkriegen.
Nicht zum ersten Mal fiel Eloises Blick unwillkürlich auf das Heft des Schwertes, das aus der Scheide an Beks rechter Hüfte lugte. Bek folgte ihrem Blick und grinste.
»Ist das …?«, begann Eloise zögernd.
»Ja, das ist Korporal Calvyns Schwert«, sagte Bek und klopfte mit der Hand auf die Schwertscheide. »Ich bewahre es für ihn auf.«
»Ist es wirklich … ein Zauberschwert?«
Bek legte die Stirn in Falten. Er dachte daran, wie die Klinge bei Calvyns großem Zweikampf vor Mantor Flammen gesprüht hatte. Auch während ihrer Ausbildung hatte Calvyn heimlich Magie eingesetzt.
»Nein, das glaube ich nicht«, antwortete Bek schließlich. »Soweit ich weiß, kam die Magie aus Calvyn und er leitete sie durch das Schwert. Er wollte nur gern, dass wir das Schwert als magische Waffe und nicht ihn als Magier betrachten.«
Die Worte waren kaum ausgesprochen, da überkamen Bek Zweifel an dieser Behauptung. Seit er das Schwert zusätzlich zu seinem eigenen am Gürtel trug, verspürte er das dringende Verlangen, nach Shandar zu gehen und seinen Freund zu suchen, damit er das Schwert seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben konnte. Nur Vernunft und
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