Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
Chevery«, erklärte Jabal in gemäßigtem Ton und gleichgültig gegenüber Cheverys ablehnender Haltung. »Das Schwert ist umgeben von einem komplexen Geflecht aus Zaubersprüchen. Außerdem verfügt es über eine Kraft, die ich in solcher Stärke nicht für möglich gehalten hätte – nicht in einem Gegenstand, der von jemandem mit so wenig Erfahrung gefertigt wurde. Die Anbindung ist klug, vielschichtig und wirkungsvoll. Wer von uns kann schon behaupten, jemals einen vergleichbaren magischen Gegenstand geschaffen zu haben? Niemand! Und das wisst ihr auch. In Wahrheit sind wir als Akademie und als Magierrat gefangen in unseren Traditionen. Wir haben es uns mit unseren Sitten und Gebräuchen bequem gemacht. Dieser Junge ist unkonventionell, das stimmt, aber er hat Talent. Ein rohes und ungezügeltes Talent. Lasst uns dieses Talent in Bahnen lenken und einige seiner radikalen Vorstellungen zu unserem Vorteil nutzen, bevor wir alle in unseren modrigen, alten Kutten verrotten!«
Chevery knurrte missmutig und runzelte die Stirn, als er merkte, dass die beiden anderen Großmagier sich von Jabals Argumenten beeinflussen ließen.
»Talent hin oder her. Ich werde nicht zulassen, dass er in meinem Unterricht noch einmal Zauberei anwendet«, grollte Chevery und drängte sich zwischen seinen Kollegen hindurch zur Tür hinaus.
Jabal sah die Meister achselzuckend an, während die ärgerlich stampfenden Schritte Cheverys durch den Flur hallten.
Akhdar führte Calvyn durch das Gewirr von Gängen zu seinem Arbeitszimmer. Der übervolle Raum faszinierte Calvyn genauso wie bei seinem ersten Besuch – wenn nicht noch mehr. Jetzt, da Calvyn sich durch die Bücher gearbeitet hatte, die den Studenten als Lektüre an die Hand gegeben wurden, wusste er noch mehr zu schätzen, welcher Reichtum hier zusammengetragen worden war. Die Zauberbücher der Magier füllten ganze Regale mit lebenslang angehäuften Sprüchen. Und neben den Bänden über Magie standen reihenweise Werke zu allen möglichen Themen, die man sich nur denken konnte. Von der Pflanzenkunde bis zum Brückenbau, von der Geologie bis zur Bewegung der Sterne am Firmament gab es Bücher zu scheinbar jedem Wissensgebiet. Calvyn konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob Akhdar auch nur die Hälfte dessen gelesen hatte, was hier untergebracht war. Wenn ja, dann musste er ein echter Gelehrter sein, dachte Calvyn. Der Gedanke, all diese Schätze studieren zu dürfen, erfüllte ihn mit Ehrfurcht.
»Hier, junger Calvyn. Stell dein Schwert hierhin«, schlug Akhdar höflich vor und zeigte auf einen Platz in einer Ecke des Zimmers neben einem alten hölzernen Stab.
Calvyn gehorchte bereitwillig und lehnte das in der Scheide steckende Schwert vorsichtig mit der Spitze nach unten in die Ecke. Erst als er sich schon umwenden wollte, nahm er den Stab richtig zur Kenntnis. Der oberste Knauf des Magierstabs wurde gebildet von einer geschnitzten Faust, die einen roten Edelstein hielt.
»Das ist der Stab des Dantillus!«, rief Calvyn aus. Er konnte sein Erstaunen nicht verbergen.
Akhdar lächelte über Calvyns Ungläubigkeit.
»In der Tat, junger Mann. Hast du davon gehört? Interessant … sehr interessant«, sagte Akhdar nachdenklich.
»Nun, Meister. Gehört kann man eigentlich nicht sagen. Ich habe kürzlich abends darüber gelesen. Ich glaube, in einem
der Bücher über die Geschichte der Akademie. Wenn ich mich recht erinnere, ist der Stab älter als Darkweavers Amulett.«
»Das stimmt. Er ist einhundertfünfzig Jahre älter. Dantillus war ein ganz außergewöhnlicher Magier. Weißt du etwas über ihn?«
»Nein, Meister … das heißt, ich weiß, dass er den Stab gefertigt hat, um die magische Kraft besser zu lenken. Man sagt, der Stab verstärkt die Sprüche wie ein Lupenglas die Sonnenstrahlen. Über den Mensch Dantillus hat das Buch wenig berichtet.«
Akhdar nickte wissend und fuhr sich nachdenklich mit den Fingern durch den Bart, als würde er abwägen, wie viel er erzählen sollte.
»Dantillus war ein Radikaler«, sagte er schließlich. »Er wurde aus der Bruderschaft ausgeschlossen. Überrascht dich das?«
Calvyn nickte und schwieg, in der Hoffnung, dass Akhdar ihm noch mehr erzählen würde. Er wurde nicht enttäuscht.
»Dantillus widersprach den Ansichten der meisten Magier seiner Zeit. Er war der Überzeugung, dass Magie zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt werden sollte. Offenbar besaßen seine magischen Formeln nicht besonders viel Kraft. Aber er war ein
Weitere Kostenlose Bücher