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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tate
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untergelegt hatte. Charlie glaubte nicht, daß es so etwas irgendwo anders an der Küste noch gab.
    In seiner Einsamkeit spielte er sich die Filme manchmal selbst vor, ritt noch einmal mit „Duke“ Wayne und dem „Mann ohne Namen“ in den (spanischen) Sonnenuntergang.
    Wenn das nicht selbst bei den gelehrtesten Studenten Eindruck machte, dann würde er sich glatt wieder den Pferdchen zuwenden.
    Und dieses Mädchen in der Bar? Der Gedanke an sie kehrte immer wieder zurück. Warum sollte er plötzlich Mitleid mit Weibern haben?
    Schon durch den bloßen Gegensatz zu seinem sonstigen Wesen beschäftigte ihn dieses Mitleid. Für ge wöhnlich gingen seine Gedanken und Gefühle nur in eine Richtung. Meistens ergaben sie gar keinen besonderen Sinn, aber letzten Endes liefen sie unweigerlich auf den Profit eines gewissen Charlie Haldane hinaus.
    Was also sollte das Mädchen?
    Auf dem Bürgersteig vor dem Kasino bewegte sich jemand. Ein Windstoß bewegte die Perlenschnüre zwischen den Räumen, als die Eingangstüre sich öffnete und wieder schloß.
    Charlie ging zurück in den Saal der Rätsel. Der junge Mann stand in der James-Thurber-Abteilung und überflog die Liste der aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate.
    „Es ist noch nicht programmiert“, sagte Charlie.
    Der Bursche drehte sich um. „Ich wollte nicht spielen!“
    „Warum …“
    „Warum ich hier bin? Ich bin die Vorausabteilung von Ballantyne.“
    Charlie kriegte nur „Ballantyne“ mit. Der Rest war ein Rätsel für sich.
    „Mit anderen Worten, ich schau mich mal um. Wenn ich es mag, kommen wir alle.“
    „Das klingt vernünftig“, sagte Charlie vorsichtig. „Wirklich, das klingt vernünftig.“
    „Das freut mich.“
    Erneut breitete sich Schweigen aus. Charlie besaß ein inneres Thermometer, was Leute anbetraf. Wenn sie warm und freundlich waren, dann spürte er es, dann konnte er mit Leichtigkeit mit ihnen reden. Dieser Bursche befand sich am unteren Ende der Skala. Am Gefrierpunkt.
    „Nun, was halten Sie davon?“ fragte Charlie. Verstellung war sinnlos, wenn es keinen anderen Gesprächsstoff gab.
    „Sie haben sich offensichtlich Mühe gegeben.“
    „Vielen Dank, Mr. –“
    „Latimer.“
    „Vielen Dank, Mr. Latimer. Glauben Sie, es hat sich gelohnt?“
    „Nein.“
    „Was soll das heißen, nein?“
    „Ich meine, sie haben Ihre Zeit verschwendet. Wenn Sie so etwas für Studenten hinstellen, die gerade zehn Monate damit zugebracht haben, über ähnliche Probleme nachzudenken, dann werden Sie feststellen müssen, daß sie daran nicht interessiert sind.“
    „Aber –“
    „Ich will Ihnen etwas über Intelligenztests sagen, Mr. Haldane. Vor allem muß Ihr Prüfling bereit sein, sie zu bestehen. Seine Leistung hängt unmittelbar von dieser Bereitschaft ab. Jeder Student, der hier hereinkommt, wirft bloß einen einzigen Blick auf die ganze Einrichtung und denkt: ,Um Gottes willen, der Mann will mich zum Arbeiten bringen. Damit habe ich gera de aufgehört.’ In dem Augenblick weiß er schon, daß er schlecht abschneiden wird, selbst wenn er ihre Appara te benutzt. Aber er will sich nicht blamieren – schon gar nicht vor seinen Kollegen. Deshalb wird er es gar nicht versuchen, Mr. Haldane.“
    Latimer setzte sich auf einen Hocker vor das Kosinus-Bingo. Er drehte dem Apparat den Rücken zu und winkte Charlie in einen Sessel.
    „Ich stehe lieber.“ Charlie reagierte automatisch verärgert. „Und hören Sie – die Dinger haben hier schon letztes Jahr gestanden. Und die Studenten waren da. Die Bude war ein voller Erfolg.“
    „Das ist zwölf Monate her, Mr. Haldane. Die Zeiten haben sich geändert.“
    „Aber die Leute haben sich nicht geändert. Wenn sie glauben, umsonst etwas Geld verdienen zu können, dann versuchen sie es … .“
    „Geld ist im College nicht mehr die Hauptwährung“, sagte Latimer. „Schade, daß Sie nicht näher dran sind, sonst hätten Sie es eher gesehen.“
    „Und was ist es heute? Speed? Hasch?“
    „Drogen auch nicht, Mr. Haldane. Es handelt sich um nichts, was man sehen kann oder anfassen – oder kaufen. Es handelt sich um Ausdrucksmittel. Wenn ein Student einem anderen etwas schuldet, dann schreibt er ein Gedicht, das dem Gläubiger gewidmet ist. Wenn der es mag, wird der Betrag gestrichen. Wenn er glaubt, daß es seinen Verdiensten nicht genügend Rechnung trägt, muß es der Schuldner erneut versuchen, und zwar so lange, bis das Gedicht den erforderlichen Wert besitzt. Das ist Ehrensache. Wir hören viel

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