Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Missgunst.
Er ist einer der jüngsten Mitarbeiter bei Plan4Good, da ist es besonders schwer, sich zu behaupten. Die zusätzlichen Geschäftsessen, die mit seinen neuen Aufgaben einher gingen, taten ihr übriges. Früher riss die Belegschaft Witze über den Chef und heute verbringt Paul nicht selten einen Abend mit ihm. Das macht die Leute stutzig und misstrauisch. Mit der Beförderung wurde Paul zu einem der Wölfe und die Schafe lassen ihn das spüren. Anfangs konnte Paul das nicht begreifen und hatte weiterhin den Smalltalk gesucht. Inzwischen versteht er. Erfolg geht selten ohne Neider einher. Irgendein Mitarbeiter weiß immer eine Gemeinheit zu berichten, Paul kennt derartige Gespräche noch von früher. Damals war das Lieblingsthema oft sein jetziger Teampartner Alessandro Bommel. Der Rheinländer, dessen Ururgroßmutter einige Jahre in Italien lebte, und der sich daher selbst als Südländer bezeichnet, bietet mit seinen schwarzen Schmalzlocken und dem selbstverliebten Auftreten stets ausreichend Angriffsfläche und Gesprächsstoff für ein Feierabendbier in lustiger Runde. Dass sein bürgerlicher Name Alexander lautet, kam nur durch Zufall heraus und nach wie vor streitet Alessandro diese ihm unangenehme Wahrheit ab.
Bei Pauls Isolation hingegen handelt es sich um einen schleichenden, aber trotzdem unaufhaltsamen Prozess und es tut weh sich, einzugestehen, inzwischen ein weiterer Bommel für seine Kollegen geworden zu sein.
Paul schüttelt heftig seinen braunen Lockenkopf um die bösen Gedanken zu verdrängen. Dann nimmt er seinen Mantel und steuert den Ausgang an. Auf das Essen in der Kantine hat er heute keine Lust, er braucht dringend frische Luft. Vielleicht sollte er in den Park gehen und dort eine fettige Currywurst verdrücken? So wie früher, als er noch weniger Stress und mehr Zeit für ungesundes Essen hatte. Seine Vorliebe für Fastfood hat Paul zwar beibehalten, doch schlingt er dieses nun meist am Schreibtisch zwischen zwei E-Mails hinunter. Sehr zum Unmut von seinem Schatz. Kim beneidet Pauls athletische Figur und schimpft oft auf die Ungerechtigkeit der Gene. Paul grinst.
Seiner Gesundheit zu liebe, entscheidet er sich für einen belegten Bagel und lässt sich damit auf seiner Lieblingsbank nieder. Beflügelt sieht er sich um und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Hier ist die Welt noch in Ordnung, eine Bande Kinder tobt lautstark auf dem Klettergerüst, im Hintergrund schwimmen zwei Schwäne majestätisch vorbei und eine Entenfamilie watschelt sogar furchtlos über den Gehweg, auf die andere Seite der Grünanlage. Dazu Sonnenschein und Vogelgezwitscher, mehr braucht es nicht, um glücklich zu sein. Im Grunde ist der Mensch doch selber schuld, wenn er seinen Alltag durch den Job bestimmen lässt. Könnten nicht alle mit etwas weniger vom Kuchen zufrieden sein?
Paul schüttelt über seine eigene Naivität den Kopf. Er weiß selber, wie schnelllebig die Branche ist und welche Möglichkeiten die heutige Zeit zulässt. Stillstand bedeutet Rückgang, jeder der nicht im Hamsterrad des Lebens wie der Teufel sprintet, verliert an Geschwindigkeit und wird hinausgeschleudert. Und einmal im Abseits, bleibt einem nur noch die Rolle des außenstehenden Zuschauers. Bei diesem bildhaften Vergleich muss Paul schmunzeln. Vermutlich wäre das Leben ein Stück näher am Rand weniger schrecklich als befürchtet, aber ausprobieren möchte er es dennoch nicht. Er hat hart für seinen Erfolg gearbeitet und wenn er bedenkt, wie stolz Kim auf ihn ist, wird Paul ganz warm ums Herz. Diese Unterstützung gibt ihm den notwendigen Halt und die Motivation, auch an schlechten Tagen durchzustarten. Ein Lächeln legt sich auf Pauls Gesicht. Es gibt einen Menschen, der ihn liebt und an seiner Seite steht, was will er mehr? Viele seiner Kollegen haben nicht das Glück abends in die Arme eines geliebten Partners zu sinken. Schuld daran ist nicht selten der zeitaufwendige Job. Auch die traute Zweisamkeit zwischen Paul und Kim hatte in den letzten Wochen sehr gelitten und gerade jetzt sehnt Paul sich nach Kims zärtlichen Armen. Wie gern würde er den Feierabend vorziehen, etwas Leckeres kochen und sein Herzblatt mit Blumen, Kerzen und allem was dazu gehört, überraschen. Der letzte gemeinsame Abend liegt schon so weit zurück, dass Paul sich nicht mehr daran erinnern kann.
Grübelnd wiegt er den Kopf hin und her. Je länger er darüber nachdenkt, desto besser gefällt ihm diese Idee. Was hindert ihn daran? Freilich, es gibt viel
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