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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wurde ein Dutzend, das sich wiederum verdoppelte, wieder und wieder. Selbst die Steine, die dort auf der Anhöhe lagen, schienen lebendig zu werden und verwandelten sich in Krieger, die in blitzendes Kettenwerk gekleidet und mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren – und eine hässliche Erkenntnis begann dem Großmeister des Templerordens zu dämmern.
    Dass er einen Fehler begangen hatte …
    Der bleiche Himmel schien sich zu verfinstern, als die Pfeile in die Höhe stiegen, zu Hunderten, zu Tausenden – um sich sirrend herabzusenken und auf die Angreifer niederzugehen. Und es war, als träfe die Schlachtreihe der Templer auf ein unsichtbares Hindernis.
    Wie ein Ungewitter brachen die Pfeile über de Ridefort und seine Kämpen herein. Ihre Durchschlagskraft war nicht groß genug, um Helme und Kettengeflecht zu durchbohren, jedoch drangen sie mühelos durch die Schabracken der Pferde, die getroffen unter ihren Reitern zusammenbrachen. Die Ritter wurden im vollen Galopp aus den Sätteln geschleudert und brachen sich beim Aufprall das Genick oder gerieten unter die Hufe nachfolgender Rosse. Auf diese Weise zerbarst die eben noch so geordnete eschielle wie ein morscher Knüppel an einem eisernen Schild.
    Ridefort, der ganz an der Spitze ritt, hatte das Glück gehabt, unter dem ersten Pfeilhagel hindurchzutauchen, jedoch ging sogleich ein zweiter nieder, der kürzer gezielt war. Der Großmeister der Templer riss seinen Schild empor, dessen mit Tierhaut bespanntes Holz unter den Einschlägen zweier Geschosse erbebte. Ridefort blieb unverletzt, während er sehen konnte, wie neben ihm Giscard, einer seiner besten und treusten Brüder, knapp oberhalb des coif in die Kehle getroffen wurde.
    »Ein Hinterhalt! Ein Hinterhalt!«, scholl es, während ein dritter Schwarm von Pfeilen auf die Templer niederging und ihren Angriff endgültig zum Erliegen brachte. Die Reiter der Sarazenen, die vor ihnen geflüchtet waren, hatten sich längst in Sicherheit gebracht – nur um sogleich wieder zurückzukehren, an der Spitze zweier berittener Horden, die zu beiden Seiten der Senke erschienen und ihre Tiere die Hänge herabtrieben, die Lanzen eingelegt oder gekrümmte Klingen schwingend.
    Hunderte von ihnen.
    »Die Reihen schließen!«, befahl de Ridefort, und die Templer, selbst jene, die bereits verwundet oder deren Rüstungen von Pfeilen gespickt waren, richteten sich, statt an Flucht oder Rückzug zu denken, sofort nach den neuen Gegnern aus. Viele von ihnen hatten ihr Reittier eingebüßt und mit ihm auch die Möglichkeit, ihre Lanzen einzusetzen. Mit Klinge und Schild bewaffnet, stellten sie sich der herannahenden Reiterei zu Fuß, dennoch zum Äußersten entschlossen.
    Wie viele seiner Ritter den Ansturm der Pfeile unbeschadet überstanden haben mochten, vermochte Gérard de Ridefort im Getümmel nicht abzuschätzen, auch einige Königliche und Johanniter hatten sich zu ihnen gesellt. Da von ihren Anführern keiner mehr am Leben zu sein schien, scharte de Ridefort sie kurzerhand um das Banner der Templer – ein versprengter Haufen von Kämpfern, der dennoch die Hauptlast im bevorstehenden Kampf zu tragen haben würde.
    Die wenigen Reiter, die verblieben waren, fächerten sich auf und sprengten den Angreifern entgegen, die johlend auf ihren Pferden heranstürmten. Gérard de Ridefort blickte ihnen entgegen, ahnend, dass dieser Kampf sein letzter sein würde.
    Und als die feindlichen Reihen aufeinandertrafen und das grausame Hauen und Stechen begann, als Lanzen lebendes Fleisch durchbohrten und Klingen durch Gliedmaßen schnitten, da wusste Ridefort, dass er noch nicht bereit war zum Sterben.

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22
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    »Nach dem Ausspruch des Propheten werden diese Völker wegen ihrer abscheulichen Handlungen beim Gerichte nicht zugegen sein, sondern vom Himmel wird ein Feuer herabsteigen, der Zorn Gottes sie dergestalt vernichten, dass von ihnen keine Asche bleiben wird.«
    Brief des Johannes Presbyter, 84 – 88
    Ausläufer des Zagrosgebirges
Zur selben Zeit
    Irgendwann nach Mittag war Rowan eingeschlafen. Mit aller Kraft hatte er sich der Erschöpfung widersetzt, doch irgendwann hatten die durchwachte Nacht und die überstandenen Schrecken Tribut verlangt, und er war in tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.
    Als er erwachte, waren Cassandra und er allein.
    Er streifte die Decke ab, die noch in der vergangenen Nacht einen Ritter des Templerordens gewärmt hatte, und sprang auf, sah sich in der schmalen, von Fels und Gebüsch umgebenen Senke um,

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