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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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bezichtigt zu werden, für zu groß; erst wenn sie Palmyra verlassen und die offene Wüste erreicht hatten, durften sie es wagen, ein wenig offener aufzutreten.
    Da sie ihre wahre Identität verbergen mussten, pflegten Cuthbert und Rowan ihre Offizien in aller Heimlichkeit zu versehen. Oft genug konnten sie zum Gebet weder das Knie beugen noch die Hände falten. Natürlich sahen die benediktinischen Regeln für Reisen und andere Ausnahmefälle durchaus eine Lockerung der Offizien vor, und es wäre Rowan ein Leichtes gewesen, sich um die Pflichten zu drücken, die ihm von Kindesbeinen an aufgedrängt worden waren, ohne dass ihm ihr Sinn jemals erklärt worden wäre. Aber er ertappte sich selbst dabei, dass er, je weiter sie in die Fremde vorstießen, den immer deutlicheren Wunsch nach etwas Vertrautem verspürte, nach etwas, das ihm Sicherheit gab, und es überraschte ihn festzustellen, dass die regelmäßigen Gebete genau diese Funktion erfüllten.
    Eigentlich hatte Rowan den Sandhügel nur bestiegen, um ungestört zu sein. Angesichts des atemberaubenden Ausblicks war es ihm jedoch schwergefallen, sich auf sein Gebet zur Vesper zu konzentrieren. Und dies umso mehr, da er Gesellschaft erhielt.
    Eine vermummte Gestalt kam den Hang herauf, die er an ihrer Haltung und ihrer Art, sich zu bewegen, dennoch sofort erkannte.
    Es war Cassandra.
    Unwillkürlich beschleunigte sich Rowans Herzschlag. Es war das erste Mal, dass er mit ihr allein war, und der Gedanke bestürzte ihn so sehr, wie er ihn in Hochstimmung versetzte. Er wandte sich ab und blickte in die andere Richtung, doch seine Aufmerksamkeit gehörte nicht mehr den Ruinen Palmyras, sondern der weiß gekleideten Gestalt, die er aus dem Augenwinkel heraus weiter beobachtete. Sie hatte den Hügelgrat erklommen und näherte sich. Rowans Herz schlug noch schneller.
    Er wartete, bis sie dicht bei ihm war, erst dann wandte er sich um und tat, als ob er sie eben erst entdeckte. Er nickte ihr zu, und sie erwiderte den Gruß. Sie hatte ihr Gesichtstuch ein wenig gelockert, sodass ihr rotes Haar zu sehen war, und der Blick ihrer dunklen Augen war so durchdringend, dass den jungen Mönch ein Schauder durchrieselte. Beschämt wandte er sich ab. Im Westen war die Sonne dem Horizont weiter entgegengesunken und tauchte die Ruinen in bernsteinfarbenes Licht.
    Er erinnerte sich, dass sie auch in einer ihrer Visionen Ruinen gesehen hatte. Sollten es diese gewesen sein? Zu gerne hätte er sie danach gefragt, aber wie sollte er das bewerkstelligen? Schließlich sprach sie nur Arabisch. Doch selbst in seiner Muttersprache hätte er wohl kaum in Worte zu fassen vermocht, was er in ihrer Nähe empfand. Warum nur fühlte er sich in ihrer Gegenwart wie ein ausgemachter Dummkopf? Ihre Schönheit, ihre bloße Nähe berührten ihn auf eine Art und Weise, wie er es nie zuvor verspürt hatte.
    Er schenkte ihr ein Lächeln, das sie allerdings nicht erwiderte. Einen endlos scheinenden Augenblick standen sie nur stumm nebeneinander und blickten auf die Ruinenlandschaft, für die zumindest Rowan sich nicht mehr wirklich interessierte.
    »Also hier treibst du dich herum!«
    Die Stimme seines Meisters ließ ihn herumfahren. Er war dankbar für das Tuch, das den größten Teil seines Gesichts bedeckte, denn die Schamröte schoss ihm ins Gesicht. Er kam sich ertappt vor, und obwohl es nicht wirklich einen Grund dazu gab, hatte er das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. »Meister, ich …«, begann er hilflos, »ich wollte die Stadt Palmyra sehen, von der Ihr mir erzählt habt, und ihre Schönheit bestaunen.«
    »Davon bin ich überzeugt«, brummte der alte Mönch, wobei er Cassandra mit einem Seitenblick bedachte, den Rowan lieber erst gar nicht deuten wollte. »Farid ist soeben zurückgekehrt. Wie es aussieht, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht für uns.«
    »Nämlich?«, fragte Rowan, dankbar, das Thema wechseln zu können.
    »Ein Kameltreiber aus Damaskus hat ihm berichtet, dass in der Stadt zum Krieg gerüstet wird. Offenbar lag Königin Sibylla mit ihrer Einschätzung der Lage richtig: Fürst Saladin hat die Zeit genutzt, um seine Kräfte zu sammeln, und bereitet den Angriff auf Jerusalem vor. Gleichzeitig wird ein Angriff auf das Königreich aber auch die Aufmerksamkeit der Sarazenen von ihrem Hinterland abziehen, sodass wir uns weniger vorzusehen brauchen.«
    »War das nun die gute oder die schlechte Nachricht?«, fragte Rowan sarkastisch. Nachdem er die erste Überraschung

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