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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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ihn kümmerte. Als er gerade spürte, wie die Wut in ihm hochstieg (er hatte keinen Hund gewollt, hatte versucht, das Ganze zu unterbinden, hatte gesagt, ich finde, damit sollten wir noch etwas warten, und doch trug er jetzt allein die Verantwortung für den Hund, niemand sonst kümmerte sich um ihn, warum war das so?), ging eine SMS auf seinem Handy ein.
    Was machst du gerade?
    Ohne zu zögern, schrieb er zurück: Ich denke an dich.
    Was einfach nicht stimmte. Er dachte nicht an sie. Aber vielleicht wollte sie genau das hören, und es machte ihm Spaß, es ihr zu schreiben. Es würde seine Wirkung tun.
    Er legte das Handy weg und starrte auf den Monitor.
    Muss noch vertieft werden!
    Schon ging eine weitere SMS ein. Er nahm das Handy wieder in die Hand. Sie war von ihr.
    Schön zu wissen, aber auch ein wenig wehmütig.
    Was meinte sie damit, verdammt? Was war so schön und auch etwas wehmütig? Jon drückte auf Gesendete Objekte. Dort stand: Ich denke an dich.
    Ach so, das war’s. Er hatte geschrieben, dass er an sie denke, und das fand sie schön und wehmütig. Er lachte. Leopold hob den Kopf und sah ihn an. Was war das für ein Lachen? Er beeilte sich, alles zu löschen, sowohl alles, was unter Eingang stand, als auch alles unter Gesendete Objekte, auch dachte er daran, die Gelöschten Mitteilungen zu löschen. Er wusste ja, dass Siri seine Mails und sein Handy kontrollierte, darum vergaß er nie, gelöschte Mitteilungen zu löschen, aber es kam ihm jedes Mal gleichermaßen sinnlos und paradox vor. Der Sinn gelöschter Mitteilungen bestand ja gerade darin, dass sie gelöscht werden sollten und nicht an eine andere Stelle des Handys verschoben, die Gelöschte Mitteilungen hieß! Schließlich waren die Mitteilungen nicht gelöscht, wenn sie unter Gelöschte Mitteilungen lagen. Sie waren nicht gelöscht, nicht wahrhaftig und endgültig gelöscht, bevor man nicht in Gelöschte Mitteilungen ging und darum bat, sie noch einmal löschen zu dürfen, und dabei noch die Frage beantworten musste: Sind Sie sicher, dass Sie die Mitteilung löschen wollen?
    Jon dachte gern daran, dass sie, die andere, weiter unten in der Straße wohnte, dass sie sich jederzeit begegnen könnten, dass er ihr vor den Augen fast aller anderen über die Innenseite der Oberschenkel streicheln könnte, ohne dass jemand etwas merken würde. Es gab ihm einen Kick, dass sie so nah war. Dass sie eine Option war. Dass er eine Option war.
    Einmal im Winter hat er eine andere Frau zu sich nach Oslo eingeladen. Sie war Kulturjournalistin und hatte im Dagbladet seine Bücher gelobt. Er hatte ihr eine Mail geschickt und sich für eine sachkundige und insbesondere gut formulierte Rezension bedankt. ( Kein Mensch hat gesehen, was Sie gesehen haben – was mich nicht überrascht. Ich lese Sie mit großem Vergnügen. Immer. ) Und schon waren sie mittendrin.
    Monate später machte Siri einen eintägigen Ausflug nach Kopenhagen. Sie hatte einen Termin mit einem potenziellen neuen Küchenchef. Irgendetwas in der Art. Vielleicht auch etwas anderes. Er wusste nicht mehr genau, warum sie nach Kopenhagen fuhr. Wichtig war, dass sie verreisen wollte und den ganzen Tag und die ganze Nacht weg wäre, noch dazu in einem anderen Land. Er freute sich. Er machte Pläne. Er schickte der Kulturjournalistin eine SMS und lud sie zu sich ein. Er wollte sie mitten in dem zugigen Reihenhaus vögeln. Er hatte die erotische Kraft eines solchen Verrats unterschätzt. Die Kraft des Verbotenen – wozu er tatsächlich imstande war, welche Genüsse auf ihn warteten, wenn er es einfach geschehen ließ. Sich gehen ließ. Er sah sie vor sich, wie sie auf dem Sofa die Beine spreizte. Er wollte nicht länger am Rand stehen, warum sollte er auch? Er wollte alles verwüsten. Alles zerstören. Und doch bestehen. Zerstört und abgeklärt und wach. Er war schon so lange müde. Dieser Geschmack von müde. Der Geruch von müde. Irene hieß sie, die Kulturjournalistin, Freiberuflerin, die sich tagsüber freinehmen konnte, und er wollte sie aufschlitzen. Sie lieben. Sie nicht mehr lieben müssen. Jede kleinste Zelle in ihr wecken. Sie von der Erdoberfläche ausradieren. Sie ganz austrinken. Verschwinden.
    Sie hatte an der Tür geklingelt. Ein paar Häuserblocks weiter geparkt. Darauf geachtet, dass die Nachbarn sie nicht sahen. Das hatten sie so besprochen. Die raschen erwartungsvollen SMS . Was sie hingegen nicht besprochen hatten, war, dass sie ihren Köter mitbrachte. Einen kleinen Kläffer, der im

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