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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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wollte es! Er hatte sie aufs Bett bugsiert, war vor ihr auf die Knie gegangen und hatte ihre Hände genommen.
    »Warum organisierst du eigentlich dieses Fest?«
    »Wer sollte es sonst machen?«, sagte Siri. »Sie muss doch gefeiert werden.«
    »Muss sie das wirklich?«
    »Selbstverständlich!« Siri sah ihn an. »Warum kommst du jetzt damit an?«
    »Sie wird es dir nicht danken, das weißt du.«
    Siri stand auf, ihre Stimme klang schrill: »Ich finde, damit gehst du jetzt zu weit, Jon. Ich organisiere eine Feier für meine Mutter, du weißt genau wie ich, dass sie sich insgeheim darüber freuen wird, sie liebt es, Aufmerksamkeit zu erhalten, sie hat schon entschieden, welches Kleid sie anziehen wird, es ist ganz einfach mein Geschenk an sie. Und jetzt fängst du an, meine Motive zu hinterfragen, mich für verrückt zu erklären, ich bin die dumme Siri, die für ihre Mutter ein Fest organisiert … mein Gott, wie dumm! Scher dich zum Teufel!«
    »Hör dir doch bloß mal selber zu«, sagte er. »Du gehst ja völlig darin auf. Du kapselst dich von mir ab.«
    » Ich kapsele mich ab …?« Siri schnappte nach Luft. » Ich kapsele mich ab? Du bist hier derjenige, der sich abkapselt, und jetzt kommst du an und machst dir Gedanken und denkst dir irgendeine Theorie über mich und meine Mutter und das ganze verfluchte Fest aus!«
    Jon holte tief Luft.
    »Es artet völlig aus, Siri.«
    Er zeigte um sich herum.
    »Das hier … das Ganze … dieses Fest gibt dir den Rest. Sie will doch gar nicht feiern!«
    Er legte die Arme um sie. Sie wollte sich entziehen, aber er ließ sie nicht los.
    »Lass mich los, Jon«, sagte sie.
    Er hielt sie fest, versuchte, sie hin und her zu wiegen, flüsterte: »Kannst du nicht einfach hier bei mir sitzen bleiben? Nur für fünf Minuten. Sag nichts. Ich will dich einfach nur halten.«
    Er legte den Kopf auf ihre Brust, flüsterte.
    »Bleib hier. Bleib hier. Bleib hier. Bleib hier.«
    Manchmal erreichte er sie auf diese Weise.
    »Komm zurück, Siri.«
    Diesmal offensichtlich nicht. Sie riss sich los und zog ihn an den Haaren, während sie schrie: »Halt mich nicht fest!«
    Er konnte gerade noch denken, dass an den Haaren gezogen zu werden (ja, an den Haaren gezogen zu werden!) ein unbeschriebener Schmerz war, bevor er sie ohrfeigte. Sie schlug zurück.
    In dem Moment hätte er sie umbringen können, oder sie ihn. Ich hasse dich , schrie sie, und er schrie Nein und schlug auf sie ein und hielt sie fest und schob sie weg, und niemals, niemals, niemals würde es ihm gelingen, sich auf diese Weise aus ihr herauszuschlagen, in sie hinein, und sie schrie Ich hasse dich , und ihm fiel in diesem Moment nichts anderes ein als Nein, nein, nein . Und dann rief er es laut, brüllte es, schrie es hinaus, Nein, nein, nein , er hielt sie fest, bis sie sich plötzlich mühelos aus seinen Armen wand, es kam ihm vor, als wären seine Arme welk, sie riss sich einfach los, als wäre alles welk und kraftlos, er hatte keine Ahnung, wohin mit seinen Armen oder mit seinen Händen, und sie stand auf und schüttelte sich (wie Leopold, wenn er im Meer gebadet hatte) und holte tief Luft.
    Ihre Wangen wurden hellrot, wenn sie so miteinander kämpften. Das helle Rot kam nicht von den Schlägen. Er hatte nicht fest zugeschlagen. Sie hatte fester zugeschlagen. Er fürchtete sich davor, dass er irgendwann einmal zu fest zuschlagen könnte. Er war kein Mann, der schlug. Aber er fürchtete sich davor, dass er Siri eines Tages schlagen könnte, und zwar zu fest. Doch das helle Rot kam nicht von seinem Schlag. Sie bekam stets hellrote Wangen, wenn sie von Wut gepackt wurde, als hätte sie sich selbst ins Gesicht gekniffen.
    Ihre eiskalte Stimme.
    »Du hast nicht einen Finger gerührt, Jon, um mir bei diesem Fest zu helfen.« Sie zitterte. »Dieses Fest, das ich organisiere, während ich gleichzeitig versuche, das neue Restaurant aufzubauen. Willst du wissen, wie es läuft? Interessiert es dich? Hast du in letzter Zeit gearbeitet? Oder sitzt du nur da und starrst auf dein Handy? Und weißt du, wer letzte Nacht aufgeblieben ist, nachdem ich von der Arbeit gekommen bin, und Rechnungen bezahlt hat? Ist dir überhaupt bewusst, dass wir Rechnungen bekommen und dass sie bezahlt werden?« Und dann fügte sie mit ganz normaler Stimme hinzu: »Ein Leben ohne dich, Jon. Davon träume ich. Deine schrecklichen, kalten Hände.«
    Er hatte alles getan, um ihr das Fest auszureden, es hatte nichts genützt, und jetzt war der Tag gekommen. Jon stand am

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