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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Kettengliedern eines Schmuckstückes erkennbar gewesen. Da keinerlei Metallabrieb nachweisbar war und man ein Kettenglied auf dem Teppich fand, vermutete man eine Goldkette, die bei der Gewalttat gerissen sein musste. Sie war ebenso wie das Tatwerkzeug verschwunden. Nun wusste er, wie sie ausgesehen hatte.
    *
    Maren riss die Wohnungstür auf und schaute Sybille entgegen, die, eine schwere Tasche über der Schulter, die Treppe heraufgestapft kam. Als sie Maren erblickte, blieb Sybille stehen. Mit einem Lächeln musterte sie ihre Freundin.
    »Du hast mich gerufen in deiner Not.« Sie strahlte. »Hier bin ich!«
    Als sie ihren Weg fortsetzte und oben bei Maren angekommen war, blickte sie auf die üppige, grüne Zimmerpflanze, die neben der Eingangstür auf einem schmalen, etwa hüfthohen Blumenständer aus schwarzem Schmiedeeisen stand.
    »Dieser Farn hier ist eine Wunderpflanze. Schon damals, als ich noch hier wohnte, wuchs er wie verrückt, obwohl die Lichtverhältnisse hier wirklich nicht ideal sind.« Maren atmete bebend ein. Sie versuchte ein Willkommenslächeln, das ihr allerdings schief geriet. Sie trat zurück und öffnete mit einem einladenden Schwung die große, altmodische Holztür mit den Fensterfüllungen aus Eisblumenglas.
    »Ich habe keinen grünen Daumen und vergesse sehr oft, diese Pflanze zu gießen, dennoch gedeiht sie, es ist ein Wunder.«
    »In der Tat, und in diesem barocken Übertopf passt der Farn wunderbar zu der alten Tür«, lobte Sybille. Maren sog die frische Herbstluft ein, die ihre Freundin mit in die Wohnung gebracht hatte. Nebeltröpfchen glitzerten in ihren blonden Locken. Ihr rosiges Gesicht strahlte Wärme und Lebendigkeit aus. Das wirkte beruhigend auf Maren, deren Blässe durch das dunkle, verwaschene T-Shirt und die schwarze Leggins noch betont wurde. Sybille betrachtete sie mit leichter Besorgnis. »Ach, Maren, was ist denn mit dir los? Bist du krank?«
    Maren schüttelte den Kopf. In ihren Augen glitzerte es. Um ihre Lippen quälte sich ein Lächeln, und sie sagte mit spröder Stimme: »Nein – oder doch. Ich bin total aus der Spur geraten, Sybille, du musst mir helfen.«
    »Habt ihr euch am Ende getrennt?«, flüsterte Sybille entsetzt.
    Maren schüttelte heftig den Kopf. Sybilles Vermutung verstärkte Marens ungutes Gefühl. Die Tränen strömten über ihr Gesicht. Sybille stellte ihre Tasche auf den Boden und schlang ihre Arme um die verzweifelte Freundin.
    »Ich helf dir – versprochen, egal, was es ist. Aber du musst mir jetzt wirklich alles erzählen. Ich hab ja gespürt, dass dich in letzter Zeit etwas bedrückt, und mir selbst schon meinen Reim darauf gemacht. Du musst wissen: Alles ist regelbar und lösbar. Sogar, wenn du für einige Wochen wegmüsstest.«
    Maren befreite sich aus Sybilles Umarmung und starrte sie entsetzt an. »Du meinst, so schlimm ist es bereits mit mir?«
    Sybille verzog gequält das Gesicht und versuchte, ihre Aussage ein wenig abzuschwächen, indem sie mit fester Stimme sagte: »Ich weiß ja noch gar nicht, was los ist. Wir machen uns jetzt einen schönen Kaffee, und dann erzählst du mir alles.«
    Maren wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und deutete ein Kopfnicken an. Sybille zog ihren Mantel aus, und Maren hängte ihn an einem Bügel an der Flurgarderobe auf, während Sybille ihr Äußeres im Spiegel prüfte. Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Locken und zwirbelte und stauchte sie. »Ich sehe aus wie ein Weihnachtsengelchen auf einer kitschigen Postkarte«, sagte sie und blickte besorgt in Marens erstarrtes Gesicht, weil sie sie mit ihrer Bemerkung nicht zum Lächeln bringen konnte. Als Sybille sich in Richtung Küche auf den Weg machen wollte, wurde sie von Maren am Arm gegriffen und sanft in die andere Richtung gezogen.
    »Erst musst du dir etwas anschauen!«
    Sybille folgte Maren in das dritte Zimmer der Wohnung am anderen Ende des Flures. »Oh, ihr habt ja angefangen auszumisten«, lobte sie erfreut. Und mit Blick auf den Palisadenschrank meinte sie: »Aber das dunkle Monster seid ihr immer noch nicht losgeworden.«
    Maren überlegte, ob Vera wirklich nichts von der gestrigen Schrankaktion erzählt hatte oder ob Sybille jetzt nur so unwissend tat. Redeten die beiden hinter ihrem Rücken über sie? Dieser Lars ist genauso verrückt wie Maren. Deshalb verstehen sie sich wahrscheinlich so gut, hörte Maren die Stimmen der Freundinnen im Kopf. Marens Blick wanderte misstrauisch, beinahe feindselig über

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