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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Eine Mutter, die eine Decke so hält, als wäre ein Baby drin, hat ein Baby drin.«
    Ich sagte: »Hör doch zu: Es ist ganz natürlich, dass man annimmt, wenn es einen Kinderwagen gibt, ist ein Baby drin oder auf dem Arm seiner Mutter. Aber denk dran, nicht mal die Babysitterin hat das Baby tatsächlich gesehen.«
    Aurora tat es lässig ab. »Ach, die junge Spiker. Man kann sich nicht drauf verlassen, was die …«
    Ich fiel ihr ins Wort. »Imogen Slade sagte zu ihr, sie soll das Baby nicht stören. Also, wenn dieses Foto an dem Wochenende gemacht wurde, als sie im Belle Ruin waren …« Da fiel mir ein, dass Aurora mal gesagt hatte, das Slade-Baby sei bloß ein paar Wochen alt gewesen. Nicht Monate. »Du sagtest, das Baby war ein paar Wochen alt. Laut Polizeibericht war es aber vier Monate alt.«
    Aurora kniff die Augen zu und wackelte mit den Fingern herum. »Meine Güte, Mädchen, machst du auch mal eine Denk pause? Wo ist denn da, bitte schön, der Unterschied? Könn ten Wochen gewesen sein, könnten Monate gewesen sein. Kein Wunder, dass manche saufen.« Sie schob mir ihr Glas hin.
    Ich ignorierte es. »Wenn nämlich die Eltern sich solche Mühe machten vorzutäuschen, dass das Baby da war, dann ist womöglich was passiert, das sie geheim halten wollten. Schau also noch mal hin: Wurde das Foto anlässlich des Balls im Belle Ruin aufgenommen?« Damit sie es schneller sagte, nahm ich ihr das Glas aus den Fingern.
    Sie wurde etwas munterer. »Herrjemine, gib mir mal meine Brille. Da in der kleinen oberen Schublade.« Sie deutete auf den Überseekoffer.
    Ich zog die Schublade auf. So klein sie war, musste ich doch ziemlich darin herumwühlen. Meine Finger gerieten an etwas Stählernes, Kaltes, und ich zog es heraus. »Was machst du denn mit einer Schusswaffe ?« Ich hielt sie auf Abstand vor mich hin wie eine tote Ratte. Sie war klein, mit einem kurzen Lauf.
    »Die? Die hatte ich schon immer. Ein alleinstehendes Frauenzimmer muss sich doch verteidigen. Meine Güte, die ist nicht geladen. Es ist bloß eine .22er, ein kleiner Revolver.«
    »Wo hast du den her?«
    »Den hat mir einer von meinen Freunden verehrt. Ein Geschenk.« Sie schaute verträumt vor sich hin.
    Als ich sah, dass ihre Augen bei dem Blick in die Vergangenheit aufleuchteten, schob ich die Waffe wieder in die Schublade und reichte ihr ihre Brille. »Das Foto.«
    »Jetzt gib mir mal mein Spionierglas.«
    Damit meinte sie wohl die Lupe, die auf einer der Truhen lag. Die gab ich ihr ebenfalls. Die Brillenbügel um ihre kleinen Ohren geklemmt, betrachtete sie die Fotos eingehend mit der Lupe, die sie bestimmt gar nicht nötig hatte. Kurz darauf sagte sie: »Nein. Das Wochenende kann’s nicht gewesen sein.« Sie tippte mit dem Fingernagel auf eins der Fotos.
    Ich sah hin. Es war das mit dem alten Mr Woodruff.
    »Siehst du, da hat er diesen Schnurrbart. Hm, an dem Ballwochenende hatte er den nicht. Ich muss es wissen, weil er den ganzen Abend mit mir getanzt hat.«
    Eigentlich hätte ich erleichtert sein sollen, dass Miss Isabel sich womöglich geirrt hatte, doch dann wurde mir klar, dass das Foto überhaupt nichts klärte, ob es nun an besagtem Wochenende aufgenommen worden war oder an dem davor oder dem vorvorigen. Es bewies gar nichts.
    Inzwischen war ich so versessen drauf, von hier wegzukommen, dass ich das Glas grapschte und fast aus dem Zimmer rannte. Hinter mir rief Aurora: »Warum interessiert dich das eigentlich so brennend?«
    Ich drehte mich um. »Weil das Baby immer noch verschwunden ist. Ich interessiere mich nun mal für alles, was entschwindet.«
    Für Fadeaways , hätte ich auch sagen können.

7. KAPITEL
    Zu Mrs Louderback ging ich immer dann, wenn die Dinge kompliziert wurden oder wenn das, was ich vor meinem geistigen Auge sah, wieder eins von diesen »teuflischen Details« war.
    Dieser Teil von Spirit Lake befand sich dem Hotel gegenüber auf der anderen Seite des Highways. Eigentlich war es hier recht hübsch, denn die Straßen waren von Bäumen gesäumt und die Häuser fast alles Schindelbauten mit grünen Fensterläden und breiten Veranden. Es schien, als hätte man sich zusammengetan und beschlossen, dass die Häuser alle gleich aussehen sollten, und vermutlich war es auch so.
    Wir waren am untersten Zipfel von Maryland, wo man bloß einmal umfallen musste und schon in West Virginia war. Aber West Virginia ist okay. Meine Mutter sagte immer, man könnte um West Virginia einen Zaun bauen und hätte doch alles, was man bräuchte. Es

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