Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
den er in der hinteren Hosentasche hatte. Alle Automechaniker hatten einen.
»Paul? Nein.« Paul war bereits geisteskrank, der musste es nicht erst werden.
»Okay, wer dann?«
»Na, ich vielleicht.«
» Du? Allmächtiger Jesus, dafür bist du viel zu dickköpfig. Na, komm.« Er nickte mir auffordernd zu, ihm zu folgen.
»Dickköpfig? Was hat das damit zu tun?« Ich ging hinter ihm her.
»Bei dir alles.« Auf dem Weg nach draußen sagte er zu Du-Da: »Sag Abel, wenn er wiederkommt, ich bin bei Jessie drüben.«
»Klar, Dwayne.« Du-Da lächelte, salutierte mit dem Schraubenschlüssel und haute sich dabei gleich noch auf die Stirn.
Armer Du-Da. Das könnte mir auch passieren. »Warte!«, rief ich Dwayne hinterher, der schon fast am Highway war.
Den überquerten wir erst und dann die Eisenbahngleise. Ich mochte den alten Bahnhof sehr, der fast so verwunschen war wie der in Cold Flat Junction.
Bei Jessies Restaurant angelangt, trat Dwayne doch tatsächlich beiseite, um mir die Fliegengittertür aufzuhalten. Ich bedankte mich, immer noch ganz verwundert, dass er von der Arbeit wegging und hier mit mir einkehrte.
Das Restaurant war größer als der Windy Run Diner, kam ihm ansonsten aber ziemlich nahe. Es gab eine hufeisenförmig geschwungene Theke, und die Leute, die dort saßen, waren vermutlich auch Stammgäste. Es war offenkundig, dass sich zumindest einige untereinander kannten. Diejenigen, die an der Theke saßen, nickten Dwayne zu, und er nickte zurück und begrüßte dann Jessie.
Ich saß da und überlegte, ob die vielleicht auch in Dwayne verknallt war, so wie die sich von der anderen Thekenseite herüberlehnte. Jessie war eine hübsche Brünette, sah allerdings ein bisschen verlebt aus.
»Hallo, mein Süßer«, sagte sie.
Zum Kotzen! Dwayne registrierte es aber nicht mal ansatzweise so, wie wenn ich ihm so blöd gekommen wäre. Mich hätte er bestimmt abgebürstet. Aber ich war natürlich zwölf, und Jessie wahrscheinlich hundertzwölf. Haha!
Sie brachte ihm seinen Kaffee und mir eine Kirsch-Cola, und nachdem wir den ersten Schluck getrunken hatten, sagte er: »Also, was soll das jetzt von wegen geisteskrank?«
»Erinnerst du dich noch, wie du beim Brokedown House die Spielfigur auf dem Weg gefunden hast und nicht wusstest, was das war?«
»Ja, so ein hohles Röhrchen.«
Ich zog das Mr-Perrin-Röhrchen aus der Hosentasche und legte es vor ihn hin.
Dwayne hob es hoch und betrachtete es eingehend. Er hatte wirklich schöne Hände mit langen Fingern, Klavierspielerhände oder, nun ja, Meistermechanikerhände. »Das, was ich gefunden hab, hatte einen Frauenkopf.«
»Nichte Rhoda.«
»Und das hier ist …?«
»Mr Perrin.«
»Und weiter?«
Ich holte Künstler George aus der anderen Hosentasche. »Das hier ist die Figur, die ich drüben bei der Quelle gefunden habe. Hinter der Blechtasse in einer Art Felsnische. Sie fehlte bei Mary-Evelyn Devereaus Mr-Ree-Spiel.« Ich beugte mich näher zu ihm hin, damit es sonst keiner hören konnte. »Und auch bei meinem. Bei meinem Mr-Ree-Spiel. Und meine Nichte Rhoda fehlt auch. Da frage ich mich: War es meine Spielfigur, die du gefunden hast?«
»Du meinst, jemand hat sie gestohlen und auf den Weg geschmissen? Ist das der geisteskranke Teil der Geschichte?«
Ich nickte aufgeregt. »War ich es? Hätte ich es tun können, ohne mich zu erinnern?«
»Nein.« Dwayne drehte Mr Perrin zwischen den Fingern hin und her. »Du vergisst nie was. Leider.«
»Die Sache ist die: Angenommen, ich wäre geisteskrank … «, ich flüsterte das Wort, da ich ihm nicht zu viel Leben einhauchen wollte.
»Wenn du geisteskrank wärst, würden wir diese Unterhaltung gar nicht führen. Dann wärst du nicht normal genug, dich das zu fragen.« Er trank seinen Kaffee.
»Hä?«
»Was ist eigentlich mit deinem albernen Bruder?«
Will? Albern?
»Der hätte doch die Teile nehmen können.«
»Aber der wusste doch gar nicht, dass ich zum Brokedown House gehe.«
»Er war drüben am Mirror Pond, hast du gesagt. Wo der Mord passiert ist.«
»Ach, Will spielt keine Streiche. Der ist viel zu beschäftigt mit der Inszenierung.«
Dwayne prustete los. »Nach dem, was ich gehört habe, würde ich sagen, zum Streichespielen ist dein Bruder nie zu beschäftigt.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. Wahrscheinlich stimmte es.
Er sagte: »Wer außer dir weiß, was in der Spielzeugkiste war?«
»In meiner?«
»In deiner und der von der Dingsda. Der Kleinen, die ertrunken
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