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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sah, dass die noch schnauften, machte sie sich brummend von dannen.
    Ich zählte die Salate ab, zog zwei für Miss Bertha und »ihren Tisch« ab und einen für Mr Muggs, unseren Handlungsreisenden.
    Damit waren noch acht Salate übrig, so viele Gäste waren es also bei den Custis. Ich selber konnte die Custis nicht ausstehen. Die wohnten in einem von diesen großen weißen Häusern auf einem Riesengrundstück auf der anderen Seite vom Highway. Sie waren »Sommerleute« und machten sich mit Vorliebe auf allen Feierlichkeiten und Veranstaltungen breit. Jeden Sommer gab es ein Tennisturnier, wo sie im gemischten Doppel antraten, aber immer so einen Kater hatten, dass sie nur mit aller Mühe das Netz sehen konnten. Waren immer drauf bedacht, auch ja im Mittelpunkt zu stehen, auf jeder Cocktailparty, bei jedem Würstchengrillen, jedem Tanz und jeder Preisverleihung.
    Ree-Jane schwebte (scheinbar ohne Bodenhaftung) herüber und beugte sich über den Salattisch. Auf eine Hand gestützt, schob sie die Schulter hoch und die Hüfte heraus zu einer Haltung, die sie wahrscheinlich für eine Fotomodellpose hielt. Ich sollte unbedingt ihr neues Kleid bemerken.
    »Ich glaub, ich nehme heute Abend keinen Salat.«
    Elf Salatköpfchen atmeten erleichtert auf.
    Als ich nicht auf das Kleid ansprang, meinte sie: »Wir waren heute im Europa.«
    Europa war der teure Modeladen, der Heather-Gay-Struthers-Kleider führte. Dort kauften die Davidows ein. Ree-Jane trug ein karamellfarbenes schulterfreies seidiges Kleid. »Wie gefällt es dir?« Sie breitete den Rock aus.
    »Ist schon okay. Entschuldige.« Ich hielt einen Schöpflöffel voll Dressing gefährlich nahe dahin, wo sie stand.
    »Rafe findet es wunderschön.« Daraufhin schenkte sie mir einen großäugigen Blick, als würde sie sich wirklich fragen. »Oder hast du Rafe noch gar nicht kennengelernt?«
    »Du meinst Ralph? Den Aushilfspagen?«
    »Rafe. Das ist die englische Aussprache.«
    »Ich weiß. Reimt sich auf ›safe‹.«
    »Er will lieber Rafe genannt werden.«
    Ich fragte mich, ob das stimmte, oder ob sie mir das bloß vormachte, damit sie andauernd Rafe, Rafe sagen konnte.
    Ein Weilchen schaute sie mir zu, wie ich die Salate richtete, dann sagte sie: »Ich nehme vielleicht einen Hummerschwanz zum Dinner.«
    War ich froh, dass die tiefgefroren waren, denn der Anblick eines lebenden Hummers, der bloß für Ree-Janes Abendessen in einen Topf mit kochendem Wasser geschmissen wurde, hätte mich zum Heulen gebracht. Ich bekam nie Hummer oder Filet Mignon zu essen, weil die zu teuer waren. Andererseits rümpfte Ree-Jane über Schinkenwindrädchen die Nase und bezeichnete sie als Resteessen. Wer zog hier also den Kürzeren?, fragte ich die Salatköpfchen, und alle schrien hurra für die Schinkenwindrädchen.
    »Was starrst du die blöden Salate an?«
    Sie hatte mich immer noch nicht aus der Reserve gelockt, weder mit dem Kleid noch mit Ralph, noch mit dem Hummer, und das machte sie richtig fertig. Da grinste sie plötzlich geziert. »Ich fahr nach dem Dinner ins Double Down, verrat es aber niemand!« Dies sagte sie so laut, dass jeder es mitbekam.
    Das Double Down war ein Club außerhalb von Hebrides, der von einem Kerl namens Perry Vines betrieben wurde. Der war bestimmt zwanzig, dreißig Jahre älter als Ree-Jane und schon zigmal verheiratet gewesen. Ree-Jane behauptete, er sei ganz verrückt nach ihr.
    »Wenn er so verrückt nach dir ist, wieso fasst er sich dann nicht ein Herz und kommt her?«
    Dies war eine unerwünschte Frage. »Weil er natürlich zu beschäftigt ist im Club.«
    »Du bist minderjährig. Oder wusstest du das nicht?«
    Sie lächelte überheblich, während sie sich die Veronica- Lake-Locken aus den Augen schnippte. »Rafe aber nicht.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sich durch die Begleitung, die man dabei hat, das eigene Alter ändert.«
    Keine Ahnung, ob sie das einfach ignorierte oder schlicht nicht kapierte. Sie sagte: »Ich hoffe, Perry ist nicht allzu eifersüchtig.«
    »Ralph ist grade erst angekommen und macht sich schon an die Erbin ran. Das ging aber schnell.«
    Es war klar, dass sie nicht wusste, ob sie das jetzt als Kompliment betrachten sollte. Sie malmte, brachte aber nichts heraus.
    »Ich würde mir über Perry keine Sorgen machen. Der verhungert bestimmt nicht. Immerhin gibt’s ja noch Scarlett Bittinger.« Da hatte ich wohl grade Bilder aus Vom Winde verweht durcheinandergebracht. Summend nahm ich mein Tablett mit den Salaten hoch.
    Das brachte sie

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