Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
nachdenken.« Sie dachte nach. »Ja, da waren einige von Agatha Christie.« Sie überlegte. »Die mit Miss Marple mochte sie besonders.«
Wenn ich fragte, welche denn, würde es zu interessiert klingen. »Gab es eine kirchliche Beerdigung? Und sind Leute aufgestanden und haben über sie gesprochen? Über Zelda?«
»Ja, es war eine ziemlich große Beerdigung. Ihre Familie hat auch was über sie gesagt. Warum?«
»Ach, egal.« Das wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen, dachte ich, einen Schluss vorzulesen – in der Kirche oder an ihrem Grab.
Das sagte ich natürlich nicht.
»Agatha Christie fand ich schon immer eine äußerst interessante Person«, sagte Miss Flagler. »Sie ist übrigens verschwunden.«
Da bekam ich aber Stielaugen, aus denen ich Miss Flagler erstaunt musterte. »Verschwunden?«
»Ja, in den Bädern des Old Swan Hotels in Harrogate. Das liegt in Yorkshire, glaube ich. Es war ein großer Skandal. Und dann, ja, dann tauchte sie einfach wieder auf, und bis heute weiß niemand genau, was eigentlich passiert war.«
Ich saß da und versuchte, das zu kapieren, während Albertine an meinen Haaren kaute. Kurz darauf ging ich. Das gefiel Albertine gar nicht.
Jetzt brauchte ich aber sofort einen Schoko-Milchshake.
25. KAPITEL
Shirl saß auf ihrem hohen Hocker an der Registrierkasse und rauchte. Sie war beim Prime Cut gewesen, um sich die Haare machen zu lassen, was man aber bloß daran merkte, dass ein paar Haare fedrig über die Stirn verteilt waren. Das machte die Friseurin beim Prime Cut immer, was aber Zeitverschwendung war, weil das Fedrige bloß ein paar Stunden hielt und sich dann mit dem übrigen Gekräusel vermischte.
Shirl brummte mir ein »Hallo« entgegen. Ich sagte ebenfalls »Hallo« und ignorierte erfolgreich Helene Baum, die Frau des Arztes, die vor der gläsernen Vitrine stand und überlegte, welchen Kuchen sie kaufen sollte. Sie bedachte mich mit einem säuerlichen Blick. Ich tat so, als würde ich es nicht sehen, und ging hinter ihr und den anderen Kunden an der Theke vorbei.
Maud schenkte an der Theke nacheinander Kaffee nach, wo die Tassen aufgereiht standen wie die Abendessenteller meiner Mutter, wenn jeder Teller auf seinen Löffel voll irgendwas wartete. Das erinnerte mich an einen Abendmahlsgottesdienst in St. Michael. Irgendwie war ich heute religiös gestimmt. Vielleicht stand ja meine Rettung bevor – hoffentlich nicht.
Ich wartete auf Maud, was Dodge Haines und Bubby Dubois die Gelegenheit verschaffte, einen Witz zu reißen. Bubby sagte: »Na, hat dich in letzter Zeit wieder mal jemand über den Bootssteg geschickt?« Er schlug mit der flachen Hand auf die Theke und lachte sich halb schlapp und steckte den Bürgermeister neben sich auch an, als wäre es das Witzigste, was sie je gehört hatten, dass jemand mit vorgehaltener Knarre vom Bootssteg in ein Ruderboot gezwungen wird. Ich musterte Bubby Dubois, der mit seinen hellblonden Wimpern und den auf der Stirn zu einer Spitze gegelten Haaren aussah wie eine Meringue, und schenkte mir die Antwort. Ich wünschte, Maud wäre in dem Moment nicht hergekommen, weil ich mir weitere Antworten gern geschenkt hätte.
»Hallo, Süße«, sagte sie. »Willst du eine Cola?«
»Einen Schoko-Milchshake, bitte.« Ostentativ legte ich einen Dollar auf die Theke, obwohl ich wusste, dass Maud ihn mir gratis geben würde. Doch ich sah Shirl auf ihrem Hocker thronen, rauchend und wachsam, und Shirl gab einem nie was gratis, außer sie war in wirklich großzügiger Stimmung, was fast nie der Fall war.
Der Milchshakebehälter ratterte los, hörte dann plötzlich auf. Maud goss den Shake in ein geriffeltes Glas und steckte einen Strohhalm dazu. Der Milchshake sah richtig dick aus, sie hatte bestimmt noch extra Eiscreme dazugetan. Ich nahm ihn mit hinüber in die hinterste Nische, an der immer ein RESERVIERT -Schildchen steckte. Die war für die Mitarbeiter des Rainbow. Die Nischen mochte ich besonders, sie waren in dunklem Holz gehalten und hatten so hohe Seitenwände, dass man die Leute nicht hereinkommen sah, außer man beugte sich ein bisschen zum Gang hin.
Ich hatte den Milchshake zur Hälfte ausgetrunken, als Maud auf den Sitzplatz mir gegenüber rutschte. Sofort rückte ich mit meiner Frage heraus: »Es gibt da ein Problem. Sagen wir mal, drei Leute sind befreundet. A, B und C. B erzählt dir was über A, was du kaum glauben kannst. Was ist die naheliegendste Art, die Wahrheit rauszufinden?«
Sie guckte verblüfft und holte die
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