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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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heiratete Lucien Woodruffs Tochter Imogen. Sie hatten ein einziges Kind, Fay, das sie in einem Sommer als Baby mit nach La Porte brachten … Und hier beginnt die Tragödie des Belle Ruin.«
    So! Jetzt brauchte ich bloß noch die Tragödie zu erzählen. Ich würde diesen Text Mr Gumbrel bringen, damit er sich überzeugen konnte, dass ich tatsächlich dran arbeitete, und ihn dann später fertigstellen. Vielleicht, ja vielleicht würde er das, was ich schon hatte, als eine Art »Appetitmacher« verwenden. »Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe« oder so ähnlich.
    Ich hatte einen guten Vormittag lang gearbeitet und war recht zufrieden. Maud setzte sich mit einer Tasse Kaffee zu mir, und ich fragte sie nach der Uhrzeit.
    Sie schaute auf ihre Uhr. »Elf dreiundzwanzig.«
    Was? Hieß das, ich hatte bloß zwanzig Minuten geschrieben? Zwanzig Minuten? Wie hielten Schriftsteller es bloß aus, wenn sie für so was einen ganzen Vormittag investierten?
    »Woran arbeitest du denn?«
    Ich war immer noch irritiert über die zwanzig Minuten. »An meiner Geschichte. Das ist jetzt ein neuer Teil.«
    »Gut. Alle sind nämlich schon gespannt, wie es weitergeht.«
    Trotz des Kompliments war ich mies gelaunt. »Glaubst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem, was man schreibt, und wie lang man dafür braucht?«
    »Nein.«
    Aha. » Nein? Mit anderen Worten, man könnte was richtig Gutes in, sagen wir mal, zwanzig Minuten schreiben?«
    »Selbstverständlich. Hast du schon mal von Trollopes Arbeitsgewohnheiten gehört?«
    Da ich noch nie was von Trollope gehört hatte, kannte ich auch seine Arbeitsgewohnheiten nicht. »Nein.«
    »Er legte sich eine Armbanduhr auf den Schreibtisch und zwang sich, pro Viertelstunde zweihundertfünfzig Wörter oder annähernd so viele zu schreiben.«
    Ich staunte nicht schlecht. »Wie viele Viertelstunden pro Tag hat er denn geschrieben?« Das, fand ich, war entscheidend.
    Maud überlegte und wollte auf meine Seite gucken, die deckte ich aber zu, indem ich mich darüberlehnte. »Vier wahrscheinlich. Das wäre dann also eine Stunde. Dann hätte er tausend Wörter gehabt. So war Trollope. Aber denk mal an Flannery O’Connor.«
    »Wie viel hat der geschrieben?«
    »Die. Also, die setzte sich an ihren Schreibtisch und blieb dort vier Stunden sitzen, auch wenn sie kein einziges Wort hinschreiben konnte.«
    Da staunte ich aber Bauklötze! Wenn ich welche gehabt hätte, wären sie alle auf den Boden geknallt. »Jetzt machst du aber Witze.«
    Maud trank ihren Kaffee. »Oder sie erzählt Lügen.«
    Wir lachten beide.
    Und dann redeten wir über die Entführung und was der Grund dafür gewesen sein könnte. Ich sagte: »Was ist mit dem Urgroßvater der Kleinen, ähm, mit Mr Woodruffs eigenem Vater? Ich glaube, der hieß Raphael und war richtig, richtig reich und wollte sein Geld an seine Urgroßenkelin vererben, an Fay …«
    »Wieso nicht erst an seine Enkelin Imogen?«
    »Vielleicht fand er, sie war ein nichtsnutziges Ding. Die war anscheinend richtig verwöhnt.«
    Maud spielte mit einer Zigarette herum und konnte sich nicht entscheiden, ob sie sie rauchen sollte.
    Ich sagte: »Ein anderer Grund könnte sein, dass Imogen das Baby hasste.«
    »Wieso sollte sie?«
    Ich dachte an meine Krankenhaus-Szenarien und runzelte die Stirn. Irgendetwas Wichtiges entging mir. Ich wandte mein Stirnrunzeln Maud zu.
    »Was ist? Hab ich was gesagt?«
    »Nein, aber ich. Bloß weiß ich nicht mehr, was.«
    »Du hast gesagt, dass Imogen ihr Kind vielleicht hasste.«
    Ich nickte. Doch was auch immer in meinem Hinterkopf gelauert hatte, war mir inzwischen entfallen. »Vielleicht stimmte was nicht mit Fay.« Ich erinnerte mich an Miss Isabel Barnetts Bemerkung über die Down-Krankheit, obwohl sie sich im Baby geirrt hatte. »Vielleicht war sie entstellt oder würde geistig immer auf dem Stand einer Vier- oder Fünfjährigen bleiben oder so was.«
    »Wie entsetzlich – ein Kind loswerden zu wollen, bloß weil es nicht perfekt ist.«
    Das könnte jetzt ganz schön anstrengend werden, wenn Maud über alles so heilig salbadern wollte. »Wir wollen es nicht beurteilen, bloß herauskriegen, was passiert ist.«
    Maud zündete sich die Zigarette an und schwenkte grübelnd das Streichholz, bis es erloschen war.
    Ich sagte: »Es gibt noch eine Möglichkeit: Es hätte auch ein Unfall sein können.«
    Immer noch grübelnd, blies Maud einen Rauchstrahl aus. »Nein. Wenn es sich um einen Unfall gehandelt hätte, wieso dann der ganze Aufwand,

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