Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
Vom Netzwerk:
Gepäck trugen, auf die Kinder anderer Leute aufpassten, Straßen reinigten, Fenster wischten, Schuhe putzten, Essen zubereiteten, Wäschereien betrieben und die Beleidigungen wie auch die Trinkgelder ihrer weißen Auftraggeber mit stets gleich freundlicher Miene entgegennahmen.
    Dieser Bursche da am Lenkrad war anders, auch weil er offensichtlich nicht gern sprach. Damals in New York hatte Lou sich mit einem höflichen alten Herrn angefreundet, der im Yankee-Stadion, in das Lou und ihr Vater sich manchmal fortgestohlen hatten, um sich ein Spiel anzuschauen, einer recht niederen Arbeit nachgegangen war. Dieser alte Mann, der gerade mal einen Ton dunkler war als die Erdnüsse, die er verkaufte, hatte Lou erzählt, dass Farbige einem jeden Tag die Ohren voll quatschen würden, außer am Sonntag, an dem Gott und die Frauen Gelegenheit bekommen sollten, sich auch einmal zu Wort zu melden.
    Der Hüne am Lenkrad fuhr gemächlich weiter; sein Blick verirrte sich nicht einmal in den Innenspiegel, als Lou ihn von hinten ansprach. Ein Mangel an Interesse, den Lou an ihrem Begleiter nicht so ohne weiteres akzeptieren wollte.
    »Meine Eltern haben mich Louisa Mae Cardinal genannt, nach meiner Urgroßmutter. Aber man nennt mich Lou - einfach nur Lou. Mein Vater ist John Jacob Cardinal. Er ist ein sehr berühmter Schriftsteller. Sie haben bestimmt von ihm gehört.«
    Weder brummte der junge Mann, noch rührte er einen Finger. Der Verlauf der Straße schien ihn so sehr in den Bann geschlagen zu haben, dass eine Dosis Familiengeschichte der Cardinals nicht damit konkurrieren konnte.
    Oz meldete sich zu Wort, um seine Schwester zu unterstützen. »Er ist jetzt tot, unsere Mutter aber nicht.«
    Dieser ungebetene Kommentar rief ein Stirnrunzeln auf Lous Gesicht hervor, und rasch schaute Oz aus dem Fenster, vorgeblich, um die Landschaft zu bewundern.
    Als der Hudson abrupt hielt, wurden die Kinder ein wenig unsanft nach vorn geworfen.
    Der Junge, der dort stand, war kaum älter als Lou, aber ungefähr genauso groß. Er hatte rotes Haar: zerzauste Locken, die seine gewaltigen Segelohren nicht zu bedecken vermochten, mit denen er leicht an einem Nagel hätte hängen bleiben können. Der Junge trug ein fleckiges kragenloses Hemd und einen schmutzigen Overall, der seine knochige Gestalt nicht verbergen konnte. Obwohl es nicht gerade warm war, ging er barfuß. Er hatte eine lange, aus einem Ast geschnitzte Angelrute und eine verbeulte Köderdose bei sich, die vor Urzeiten einmal blau gewesen sein musste. Ein schwarz und braun gefleckter Hund stand neben ihm und ließ seine schlappige rosa Zunge aus dem Maul hängen. Der Junge legte die Angel und den Kasten durch das offene Fenster des Wagens auf die Rückbank und kletterte auf den Beifahrersitz, als gehörte der Hudson ihm. Der Hund folgte ihm auf dem Fuße.
    »Howdy-howdy, Hell No«, begrüßte der fremde Junge freundschaftlich den Fahrer, der den Neuankömmling mit der leisesten Andeutung eines Nickens bedachte.
    Lou und Oz schauten sich angesichts dieser höchst sonderbaren Begrüßung konsterniert an.
    Der Kopf des Jungen ruckte wie der eines Stehaufmännchens über die Lehne des Sitzes empor, und er starrte auf Lou und Oz. Seine schmalen Wangen und die kleine Knubbelnase waren mit unzähligen Sommersprossen gesprenkelt, und wenn die Sonne sein Haar nicht beschien, wirkte es noch röter. Seine Augen hatten die Farbe von rohen Erbsen; im Zusammenspiel mit dem roten Haar erinnerten sie Lou an Weihnachtspapier.
    »Wette, ich kenn euch. Ihr seid die von Miss Louisa, hab ich Recht?«, sagte er mit einem breiten, aber angenehmen Akzent und einem gewinnenden koboldhaften Grinsen.
    Lou nickte bedächtig. »Ich bin Lou. Und das ist mein Bruder Oz«, sagte sie mit einem Hauch unverbindlicher Freundlichkeit, wenn auch nur, um ihre Nervosität zu verbergen.
    Schneller als ein Verkäufer den Fuß in die Tür setzen konnte, hatte der Junge ihnen die Hand gereicht. Seine Finger fühlten sich schwielig an und trugen die vielen Spuren des harten Landlebens und eine so bemerkenswerte Sammlung verschiedener Dreckschichten, dass sich nicht feststellen ließ, ob sie jemals Fingernägel besessen hatten. Lou und Oz starrten diese Finger unwillkürlich an.
    Der Junge musste ihre Blicke bemerkt haben, denn er sagte: »Hab nach Würmern gebuddelt, bevor ’s hell wurde. Die Lampe in einer Hand, die Blechdose in der anderen. Drecksarbeit, könnt ihr euch ja vorstelln.« Er sagte es so selbstverständlich, als

Weitere Kostenlose Bücher