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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Seine Kleidung war so zerlumpt wie die der Kinder.
    Der Traktor stand jetzt beinahe direkt über dem Hudson. Oz hielt sich die Hände vor die Augen; er war zu entsetzt, um an Schreien auch nur zu denken. Dafür schrie Lou kurz auf, als das Ungetüm weiter auf sie zuhielt.
    Hell No, ganz die Ruhe selbst, brachte den Wagen irgendwie aus dem Weg des Traktors und hielt, um das andere Fahrzeug vorsichtig vorbeizulassen. Der Hudson geriet dabei so nah an den Rand der Passstraße, dass ein gutes Drittel der Reifen in beängstigender Weise schon auf der kühlen Bergluft zu stehen schien. Loses Geröll und kleine Steinchen rutschten über die Kante und wurden augenblicklich vom Spiel des Windes verstreut. Lou war sicher, dass sie abstürzen würden, und packte Oz mit aller Kraft, als ob das irgendetwas genützt hätte.
    Als der Traktor vorbeirumpelte, warf der Mann ihnen einen Blick zu, bevor er sich auf Hell No konzentrierte und rief: »Du blöder Nig...«
    Der Rest wurde zum Glück vom Geräusch des Traktors und dem Gelächter und Jauchzen des in der Luft hängenden Jungen übertönt. Lou schaute Hell No an, der von all dem unberührt zu bleiben schien. Das war wohl nicht das erste Mal gewesen, vermutete sie - ein gefährliches Zusammentreffen dieser Art und die anschließende Beleidigung.
    Und dann war wie ein plötzlicher Hagelschlag mitten im Juli der rollende Zirkus vorübergezogen. Hell No fuhr weiter.
    Als Lous Nerven sich wieder beruhigt hatten, konnte sie tief unter ihnen beladene Kohlenlaster ausmachen, die auf der einen Straßenseite schwerfällig bergab rollten, während auf der anderen Seite leere Laster wild entschlossen wie Honigbienen die Steigung wieder hinaufzujagen schienen. Überall ringsum waren die Berghänge aufgegraben worden, sodass hier und da der nackte Fels zu sehen war; der Mutterboden und die Bäume waren verschwunden. Kohleloren tauchten wie Tröpfchen dunklen Blutes aus tiefen Wunden in den Felsflanken auf; dann wurde die Kohle auf die Ladeflächen der Laster geschüttet.
    »Eugene.«
    Lou und Oz starrten zum Fahrersitz. Der junge Farbige blickte sie im Innenspiegel an.
    »Eugene«, wiederholte er. »So heiß ich. Diamond, der vergisst schon ma’. Is’ ’n guter Junge. Mein Freund.«
    »Hallo, Eugene«, sagte Oz, und dann sagte auch Lou Hallo.
    »Seh nich’ viel Leute. Kann nich’ so gut reden. Tut mir leid.«
    »Schon in Ordnung, Eugene«, versicherte Lou. »Ist ja auch nicht einfach, so mit Fremden.«
    »Miss Louisa un’ ich, wir sin’ froh, dass ihr kommt. Gute Frau. Hat mir geholfen, als ich kein Zuhause hatte, ’n Glück, dass sie da is’.«
    »Ja, das ist es. In letzter Zeit hatten wir nicht viel Glück«, sagte Lou.
    »Hat mir erzählt von euch, alles. Über euern Pop un’ eure Mom. Sie sorgt für eure Mom. Miss Louisa, die kann Kranke gesund machen.«
    Oz schaute Lou mit wieder erwachter Hoffnung an, doch sie schüttelte sofort den Kopf.
    Nach ein paar Meilen bog Eugene schließlich auf einen Weg ab, der lediglich aus zwei Spurrillen im zerdrückten Gras und farngesäumtem dichtem Buschwerk bestand. Als sie ihrem Ziel offensichtlich immer näher kamen, wechselten Lou und Oz einen Blick. Erwartung und Unruhe, Furcht und Hoffnung spiegelten sich in ihren kleinen Gesichtern.
    Sie holperten über den unbefestigten Weg nach Norden, bis sie eine Lichtung erreichten. Hier öffnete sich das Land vor ihnen zu einem breiten Tal von natürlicher Schönheit. Grüne Wiesen wurden von weitem Mischwald gesäumt, der sämtliche Holzarten enthielt, derer das Land sich rühmte. Neben den Wiesen lag ein bunter Teppich aus Feldern; dahinter waren Pferche zu sehen mit grauen, verwitterten Zäunen, um die sich Ranken roten Weins wanden. In der Mitte der Pferche erhob sich eine große, zweistöckige Bretterscheune mit einem Walmdach mit Regenrinnen, alles bedeckt von Zedernholzschindeln, die mit Hammer und Spaltmesser zugeschlagen waren. In beide Seitenwände der Scheune waren große Tore eingelassen; über den Toren befanden sich Heubodentüren sowie vorstehende Balken für Flaschenzüge.
    Drei Kühe lagen friedlich auf einer eingezäunten Weide, während ein rotbraunes Pferd allein auf einer schmalen, von einem zickzackförmigen Zaun umfriedeten Koppel stand. Lou zählte ein halbes Dutzend geschorener Schafe in einem anderen Pferch. Gleich dahinter gab es einen weiteren eingezäunten Bereich, in dem riesig wirkende Schweine sich in Schlammpfützen suhlten, wie zu groß geratene rosige Babys beim

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