Das Versprechen
hierher zurückgekehrt war.
Sie ging in die Scheune und molk die Kühe, trug einen vollen Eimer in die Küche und den Rest ins Brunnenhaus, wo sie die Milch in kühles Wasser stellte. Die Luft war bereits merklich milder geworden.
Lou hatte gerade das Feuer im Herd entfacht und die Pfanne mit dem Schweineschmalz erhitzt, als ihre Urgroßmutter hereinkam. Louisa schimpfte auf sich selbst und auf Eugene, weil sie beide so lange geschlafen hatten. Dann erblickte sie die vollen Eimer am Spülstein, und Lou sagte ihr, dass sie die Kühe schon gemolken habe. Als Louisa sah, was Lou noch alles erledigt hatte, lächelte sie anerkennend. »Demnächst wirst du den Laden hier ohne mich schmeißen.«
»Das glaube ich kaum«, sagte das Mädchen in einem Tonfall, der Louisas Lächeln gerinnen ließ.
Unangekündigt erschien eine halbe Stunde später Cotton in Arbeitshosen, einem alten Hemd und abgetragenen derben Schuhen. Die Nickelbrille trug er heute nicht, und seinen Filzhut hatte er gegen einen Hut aus Stroh getauscht, was sehr umsichtig von ihm sei, erklärte Louisa, denn es habe den Anschein, als würde die Sonne heute sehr heiß brennen.
Sie alle begrüßten den Mann, obgleich Lou ihr Hallo nur vor sich hin murmelte. Wie Cotton es versprochen hatte, war er regelmäßig gekommen, um ihrer Mutter vorzulesen, und Lou missbilligte es von Mal zu Mal mehr. Auf der anderen Seite wusste sie seine leise Art und seine Höflichkeit zu schätzen. Es war eine widersprüchliche Situation, und das Mädchen wusste nicht, wie es damit klar kommen sollte.
Trotz der kalten Nacht waren die Temperaturen nicht in die Nähe des Gefrierpunkts gekommen. Louisa besaß zwar kein Thermometer, doch wie sie sagte, waren ihre Knochen so zuverlässig wie eine Quecksilbersäule. Die Saat müsse ausgebracht werden, erklärte sie, denn spätes Säen bedeute oft einen Ausfall der Ernte.
Sie fuhren zu dem ersten Feld, auf dem gesät werden sollte, einem zehn Morgen großen Rechteck an einem Hügelhang. Der wachsame Wind hatte die trügerischen grauen Wolken endgültig über den Gebirgskamm getrieben und für einen klaren Himmel gesorgt. Doch die Berge sahen an diesem Morgen eigenartig flach aus, als wären sie lediglich Kulissen. Louisa verteilte Taschen mit Saatgut aus dem Jahr zuvor. Die Körner waren von der Schale befreit und in der Kornkrippe über den Winter gebracht worden. Louisa wies ihre Helfer an, vorsichtig damit umzugehen. »Wir wollen dreißig Scheffel Mais pro Morgen«, sagte sie. »Wenn wir es schaffen, auch mehr.«
Eine Zeit lang ging alles glatt. Oz schritt seine Reihen ab und zählte peinlich genau drei Körner pro Erdhaufen ab, wie Louisa ihm aufgetragen hatte. Lou dagegen wurde ein wenig nachlässig, gab hier mal zwei Körner, da mal vier auf eine Stelle.
»Lou«, sagte Louisa tadelnd, »drei Stück pro Haufen, Mädchen.«
Lou starrte sie an. »Als ob das einen Unterschied machen würde.«
Louisa stemmte die Fäuste in die Hüften. »Der Unterschied ist, ob wir später was zu essen haben oder nicht.«
Lou blieb einen Moment stehen und machte dann schweigend weiter: drei Körner pro Hügel im Abstand von jeweils etwa einem Viertelmeter. Nachdem Louisa, Eugene, Cotton und die Kinder zwei Stunden lang unablässig gearbeitet hatten, war das Feld erst zur Hälfte bestellt. Louisa hatte sie eine Stunde lang mit Hacken das Saatgut eindecken lassen. Obwohl Oz und Lou Handschuhe trugen, hatten sie ziemlich schnell purpurne Blutblasen auf den Handflächen bekommen. Cotton war es nicht anders ergangen.
»Der Beruf des Anwalts ist eine armselige Vorbereitung auf eine ehrliche Arbeit«, stöhnte er und zeigte ihnen die wunden Stellen.
Eugenes und Louisas Hände hingegen waren so schwielig, dass sie gar keine Handschuhe trugen. Sie häufelten doppelt so viel wie die anderen, doch die groben Griffe der Werkzeuge vermochten ihre Handflächen kaum zu röten.
Als die letzte Reihe fertig war, setzte Lou sich eher gelangweilt als müde auf die Erde und schlug die Handschuhe gegen ihre Beine. »Tja, das hat Spaß gemacht. Was nun?«
Ein gebogener Stock wurde ihr vors Gesicht gehalten. »Bevor ihr zur Schule geht, sucht ihr noch nach den Kühen, die ausgerissen sind.«
Lou blickte hinauf in Louisas Gesicht und sagte nichts.
Lou und Oz marschierten durch den Wald. Eugene hatte die Kühe und das Kalb zum Grasen auf eine offene Weide gebracht, und wie die Kühe es - ganz wie die Menschen - zu tun pflegen, hatten sie sich nicht lange dort
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