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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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Inneren hatte sie einen unerwarteten Lebenswillen entdeckt, und die Skrupellosigkeit, die sie seitdem durchs Leben gebracht hatte. Aus der Asche ihres katastrophalen Unglücks hatte sie sich selbst neu erfunden, furchteinflößend, abgehärtet und gestählt von jedem Desaster, das sie überstanden hatte.
    Zerstört hatte sie sich – Gott sei Dank! – nicht. Sie hatte überlebt. Und er hatte sie gefunden. Und hier war sie nun, auf seinem Schoß, in seinen Armen, vertraute ihm ihre dunkelsten Geheimnisse an, und er konnte sich im Leben nicht vorstellen, wie er sie je wieder hergeben sollte.
    »In mancherlei Hinsicht vielleicht.« Ihre Worte zogen ihn zurück ins Gespräch. »Ich habe aber auch irreparable Schäden davongetragen.« Sie setzte sich zurecht. Er kannte ihre Körpersprache mittlerweile; sie bereitete sich darauf vor, etwas sehr Wichtiges zu sagen. »Ich werde nie wieder jemanden lieben, Will. Ich kann es nicht. Du verstehst, hoffentlich?« Sie sah ihn nicht an. Sie wartete, stumm und angespannt, auf seine Reaktion.
    »Weil … du einen solchen Verlust nicht noch einmal riskieren willst?« Vor seinen Augen verschwamm alles ein wenig, so als sei er mit voller Geschwindigkeit auf eine Mauer geprallt.
    »Ich
kann
es nicht.« Sie artikulierte die Silben mit äußerster Präzision. »Verzeih meine Anmaßung. Ich wollte damit nicht sagen, dass ich glaube, du könntest dir vielleicht Hoffnung … ich wollte nur, dass du verstehst.«
    »Natürlich.« Wie trockene Spelzen rasselte das Wort seine Kehle empor. Er machte sich Hoffnung. Und er verstand nicht. Wie konnte sie ihm ein solches Geschenk machen, ihm ihr düsteres Herz ausschütten, bei ihm Trost suchen, ihm vertrauen, wie sie nie – das spürte er in jeder Faser seines Körpers – einem anderen Mann vertraut hatte, und dann die Tür zuschlagen und gegen das, was logischerweise hätte folgen sollen, verrammeln?
    Er holte tief Luft. Sie wartete stumm und bewegungslos in seinen Armen. Sie wusste, dass das
natürlich
noch nicht die ganze Antwort gewesen sein konnte. »Ich will ehrlich zu dir sein, Lydia. Falls ich noch nicht in dich verliebt bin, dann bin ich sehr kurz davor. Es ist nichts Anmaßendes dabei, wenn du mich warnen willst, in Anbetracht dessen, was du in den letzten paar Tagen bemerkt haben musst.«
    »Wir hätten niemals …«
    »Schscht. Ich weiß.« Er legte ihr die Hand an den Hinterkopf und streichelte ihr Haar, um ihr zu sagen, dass sie ihn nicht zu trösten brauchte mit all den Gründen, aus denen seine Liebe niemals hätte Früchte tragen können. »Ich kann es mir nicht leisten, dich auszuhalten, und ich weiß, dass du nicht ausgehalten werden willst. Eine Heirat steht wegen unserer verschiedenen Stände außer Frage. Und es gibt auch noch andere Gründe, weshalb ich keiner Dame meine Hand anbieten kann. Dennoch wünschte ich, du würdest mich lieben. Obwohl ich es besser weiß, kann ich nicht ändern, was mein Herz will.« Er zog den Arm unter ihren Knien hervor, bis sie aufrecht auf seinem Schoß saß und er sie nur noch im Rücken stützte. »Das ist wohl ein weiterer Unterschied zwischen uns.«
    »Es tut mir leid.« Ihr Gesicht war nah an seinem, die Augen rot und geschwollen. »Ich habe dich sehr gern, und ich – ich glaube, mein Körper hat heute Morgen für sich selbst gesprochen. Aber das ist alles, was ich dir geben kann. Ich wünschte, ich könnte erfüllen, was du dir wünschst, aber es ist zu spät für mich.«
    »Gräm dich nicht.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Es war ein schrecklich langer Tag. Ich gieße dir Wasser ein, und dann kannst du dich waschen und schlafen gehen.«
    Er lag noch gut über eine Stunde wach, nachdem sie eingeschlafen war. Er lauerte auf Albträume, und er ließ alles Szenen ihrer Bekanntschaft Revue passieren, so als könnte er sie anders anordnen und so zu einem anderen Ende gelangen.
    Es
sollte
ein anderes Ende geben. Sie gehörten zusammen. Ihre zerbrochenen Ränder passten an seine.
    Doch das Schicksal kümmerte sich nicht darum, was besonders gut passte. Sie waren wieder genau da angekommen, wo sie an jenem ersten Morgen in Chiswell gewesen waren, als er über die Schulter geblickt und sie gesehen hatte, ohne Hut, in einen dünnen Mantel gehüllt. Nichts hatte sich an diesem Bild geändert. Jeder stand auf seinem einsamen, sturmumwogten Gipfel, in Sichtweite zwar, doch einfach nicht nah genug.

19
    Würde sie denn nie mehr im richtigen Bett aufwachen? Der Gedanke hatte sich kaum

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