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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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bestimmt gut amüsieren. Und Eliza sich mit ihm.
    Lydia hob die Arme, und indigoblaue Seide glitt knisternd über ihre Haut. Sie fühlte den kühlen Stoff an ihren Schultern und im Gesicht. In der Kabine gab es auch einen Spiegel, wenn auch nur einen kleinen und weniger guten. Die Frau darin sah ganz und gar nicht geheimnisvoll aus. In Hemd und Mieder war sie nicht mehr als die Summe ihrer Enttäuschungen: verlassen, verwaist, unfruchtbar, müde und einsam, und schon lange nicht mehr zu retten.
    Sie wandte ihrem Spiegelbild den Rücken zu. Was für ein Unsinn. Retten. Das war nie möglich gewesen. Und selbst wenn, hätte sie es nicht gewollt. Sie hätte jedem Mann, der es versuchen wollte, ins Gesicht gelacht.
    Das Geschäft war vom Lachen der Damen erfüllt. Vielleicht ging es immer noch um Captain Waterloo. Für Lydia war das Thema beendet.
    Weinroter Satin verhüllte die Welt, als ihr das alte Kleid über den Kopf gestreift wurde.
    Er war freundlich zu ihr gewesen. Sie hatte sich mit dem, was ihr am meisten bedeutete, erkenntlich gezeigt. Sie waren quitt, und nun konnte sie sich wieder wichtigeren Dingen zuwenden.
    Jack Fuller trug seine Narben offen zur Schau. Er war ein fröhlicher, blonder Teufel von einem Mann gewesen, als sie sich vor zwei Jahren beim Dreißigsten Infanterieregiment kennengelernt hatten. Der Logik nach dürfte sein Haar immer noch blond sein, doch jetzt wuchs es nur noch an vereinzelten Stellen, und außerdem war es extrem kurz geschoren, vielleicht um den Kontrast zu den Stellen, an denen nie wieder Haar wachsen würde, möglichst gering zu halten. Er konnte sich wohl glücklich schätzen, noch am Leben zu sein. Ob er es tat, hatte Will nie herausgefunden.
    »Sie wird ein Dreimaster, getakelt wie diese hier, aber größer. Dreihundertfünfzig Tonnen, nicht bloß dreihundert.« Auf seinen dicken Gehstock gestützt schritt Fuller zur Backbordreling hinüber. Er hatte nicht nur Verbrennungen davongetragen, sondern hinkte auch. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, zu amputieren, denn niemand hatte erwartet, dass er überleben würde, und das verwundete Bein war krumm zusammengewachsen.
    Will folgte. In den Warenhäusern auf dem Kai lag die Ladung, die einige Tage zuvor gelöscht worden war. »Holz läuft im Augenblick gut, schätze ich.«
    »Mehr als gut.« Fuller drehte sich um und deutete mit dem Stock. »Siehst du, wie am Südufer gebaut wird? Ein neuer Kai, ganz dem Holzhandel gewidmet. Wir werden dort hoffentlich bald ein Lagerhaus haben, das genau auf unsere Fracht zugeschnitten ist.«
    Das Schiff schaukelte ruhig auf den Wellen des Flusses. Die Rah und die Takelage waren abgenommen worden und lagen auf dem Deck. Für eine Landratte sah es nach einem heillosen Durcheinander aus. Mit jedem Atemzug drang Will Werggeruch in die Nase und erinnerte ihn an seine beiden Überfahrten über den Kanal. Verglichen mit den Entfernungen, die dieses Schiff zurücklegte, war das kaum mehr als ein Schritt über den Rinnstein gewesen.
    »Und natürlich hat sich der amerikanische Markt in den letzten paar Jahren geöffnet.« Er nahm den Stock wieder unter den Ellbogen. »Dem unabhängigen Händler steht jetzt alles offen. Keine East India Company, die einem alles wegschnappt, wie beim Tee.«
    »Dein Geschäft läuft erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass du gar nicht vorhattest, das Familienunternehmen zu übernehmen.«
    Fuller lachte, ein einzelnes Bellen, das seinen Mund schmerzhaft verzog und auf der ruinierten Haut um seine Augen herum überhaupt keine Spuren hinterließ. »Mein Geschäft läuft erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass ich eigentlich irgendwo in Hougoumont in einem Massengrab verrotten sollte, meinst du wohl, während mein Bruder ausrechnet, wie viele Auswanderer die Überfahrt nach Neufundland bezahlen müssen und wie viele Dauben und Eichenmasten zurückkommen müssen, damit die Reise sich lohnt.« Er drehte sich wieder zum Nordufer um. »
Er
war derjenige mit dem Talent für so was, und unser Vater vor ihm. Ich glaube, es ist nur mein falscher Familienstolz, der mich davon abhält, alles vor die Hunde gehen zu lassen.«
    Ein Hoch auf den falschen Familienstolz, und noch eins auf die unverwüstliche praktische Veranlagung der Händlerschicht! Das war ein einfallsreicher und verdammt fleißiger Haufen. Kaum ein blaublütiger Gentleman, der in Fullers Zustand aus dem Krieg zurückgekommen war, hätte wohl das Zeug dazu gehabt, mit seinem Leben nach diesen neuen Regeln noch einmal von

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