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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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sie die Situation nicht ausnützen würden. Und in der Tat, sie ließen sie mit dem Sarg passieren, standenreglos und stumm da, das Flämmchen lief immer noch bloß an der langen Zündschnur entlang.
    Sie stellten den Sarg ab, und Modráček ging, um die komplizierten Schlösser der gepanzerten Tür mit der Schalldämmung aufzusperren, er rasselte mit den Schlössern wie mit Ketten, und dann drehte er sich um und versuchte Aug in Aug mit diesem Halbkreis, den sie jetzt bildeten, ein freundliches Lächeln. Aber das Lächeln war ihm wohl nicht besonders gelungen. Er hatte geahnt, dass der Abschied mit ihnen nicht extraordinär werden würde, aber keineswegs, dass er buchstäblich unmöglich ausfallen würde. Er wollte etwas sagen, aber die Zunge klebte ihm am Gaumen, und warum es nicht eingestehen, sein Kinn fing fast zu zittern an. Dafür waren ihre Gesichter ohne jede Regung.
    Die gefährlichste Situation trat ein, als sie mit dem Sarg vom Untergrund in den Keller gingen und die gepanzerte Tür sperrangelweit offen war und der Fluchtweg frei. Aber vielleicht waren sie wirklich für die paar Minuten zu Stein geworden. Sie standen da, schauten aus dem Untergrund in den Keller und machten keinen Mucks. Er schloss wieder die gepanzerte Tür mit der Isolationswand (die nicht einmal den Bruchteil eines Dezibels hinaus- oder hineinließ) und zog den „Rollladen“ vor, jene pfiffige Abdeckblende, die nicht vermuten ließ, dass sich hinter ihr was befand.
    Als sie in dem schmalen Gang vor den Kellerkojen angelangt waren und die steile Kellertreppe vor sich hatten,schlug Pater Klenovský vor, nun die Plätze zu tauschen, und dass Modráček nun vorangehen solle, weil der am hinteren Ende des Sarges beim Hinauftragen schlechter dran sein würde. Aber Modráček war dagegen. Kaum begannen sie jedoch hinaufzusteigen, hatte er das Gefühl, dass sich der Inhalt des stark geneigten Sarges in Bewegung setzte, und er spürte förmlich, dass Leutnant Láska drinnen heruntergerutscht war, als würde er im nächsten Moment in Modráčeks Arme purzeln. Das war natürlich Unsinn, weil er, da sie den Sarg erst vor ein paar Minuten aus der „Eistasche“ geholt hatten, ganz steif sein, wie ein Bügelbrett daliegen musste.
    Hinter der Tür des Kellers warteten sie kurz, ob sie nicht über ihren Köpfen Schritte im Haus hörten, und neben der halb offenen Kellertür dann abermals, ob im Hausflur nicht das Licht anginge. Es war zwar total früh am Morgen, aber manche Mieter eilten schon so zeitig zur Arbeit.
    Das Haustor hatte Modráček, noch ehe er in den Keller hinabgestiegen war, aufgesperrt, sodass sich Pater Klenovský jetzt nur mit der Schulter dagegen stemmte und sie mit dem Sarg in die miserabel beleuchtete und gottlob leere Straße hinausschlüpften. Sie stellten ihn hinter das Auto auf den Gehsteig, verloren jedoch keine Sekunde Zeit. Im Auto wartete auf den Sarg schon ein vorbereiteter leerer Raum, sie mussten nur einen Moment lang ringen mit dem Sarg, ungefähr so wie beim Einsetzen einer Prothese in sich sträubendes Zahnfleisch.
    Als sie dann aus der Běhounská auf den Freiheitsplatz fuhren, musste Modráček nolens volens zur Kenntnis nehmen,was für extrem seltsame Ideen einem durch den Kopf schießen können, weil ihn plötzlich die Vorstellung befiel, in den Sarg zu greifen und sich Leutnant Láskas Hand zu angeln und damit dem Polizeiposten, an dem sie soeben vorbeifuhren, zuzuwinken, dieser großen Polizeiwache in der Běhounská (na, möglich wäre das sowieso nicht, der Toten- und Kühlraumstarre wegen).
    Modráčeks Škoda, dieser viertürige Sedan, rollt jetzt in die Morgendämmerung und verlässt zugleich die Stadt, fährt durch Žabovřesky, vorbei an der ersten und zweiten Kapelle, und nimmt Kurs auf Jundrov. Im Inneren des Wagens stinkt es nach Teer, mit dem der Sarg in der unterirdischen Tischlerwerkstatt gestrichen wurde. Aber jetzt ist bereits so viel Tageslicht, dass wir deutlich sehen, dass Pater Klenovský nicht nur in Zivilkleidung ist, sondern sogar ohne Kollar, obwohl er eigentlich zu einem religiösen Akt fährt. Aber vergessen wir nicht, wir befinden uns immer noch in der ersten Hälfte der Fünfzigerjahre, als Priester, diese traurigen Schwarzröcke, sehr verdächtige Wesen zu sein pflegten, und welcher Bulle hätte denn widerstehen können, hätte er in einem herannahenden Wagen ein Kollar erblickt.
    Modráčeks Entschluss, den ehrwürdigen Vater davon zu überzeugen, mit ihm zu fahren, hatte eine

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