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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Türspion, und einer dieser Söhne, ein zehnjähriger Junge, stand gegenüber in der Tür, mit einem großen Glaskrug in der Hand. Er machte hinter sich zu und lief die Treppe hinunter. Ich wechselte zum Fenster auf die Straße und sah nach einer Weile, wie der Junge über die Straße lief und in der Gastwirtschaft Cajpl verschwand. Das Erste, was mir einfiel, war, dass die Polizisten ihn geschickt hatten, Bier zu holen. Sollten sie bei den Kratochvils nämlich eine gründliche Durchsuchung vornehmen,würden sie dort bestimmt eine große Lehrerbibliothek durchwühlen – Kratochvil ist, soviel ich weiß, Lehrer –, und anschließend würden sie wahrscheinlich die Matratzen hochheben und in irgendwelche alten Koffer unter dem Schrank und vielleicht sogar unter die Betten kriechen und jede Menge Staub schlucken und etwas brauchen, um ihn hinunterzuspülen. Dann jedoch wurde mir auch bewusst, dass sie im Dienst wahrscheinlich nicht trinken dürfen und dass sie womöglich aus dem Grund zu zweit sind, um einander zu überwachen und sich gegenseitig zu denunzieren. Folglich war es wohl eher so, dass sie dem Großvater gestattet hatten, den Jungen irgendwohin wegzuschicken, damit er nicht Zeuge sein müsse bei „der Plünderung des Familiennests“. Vielleicht ist es so, dass sogar die rücksichtslosesten, sonst abgebrühten Stasitypen es fertigbringen, Kindern gegenüber rücksichtsvoll zu sein, selbst wenn es sich um die Kinder von Klassenfeinden handelt. Da jedoch bemerkte ich auch jemanden, der vor dem Hauseingang unten stand, weil er jetzt ein Stück zurücktrat, an den Gehsteigrand, und sich mit dem Kollegen verständigte, der sich aus dem Fenster der Kratochvil-Wohnung lehnte. Der Geheimpolizist oben erklärte dem Geheimpolizisten unten, er solle den Jungen mit dem Glaskrug, der ins Cajpl gerannt war, im Auge behalten, ihn überwachen, dass er dort ja mit niemandem sprechen und niemandem etwas übergeben könne.
    Aber hier verstummte Kamil und erhob sich mit einem Mal vom Stuhl und setzte den Kater Willi (Willi heißt er deswegen, weil er jeden, der das Atelier betritt, herzlichwillkommen heißt) auf den Boden, ging zielstrebig auf eine Ecke des Ateliers zu und zog dort den Stecker eines Kabels, an dessen anderem Ende sich ein mit Draht umwickelter halber Ziegel befand, aus der Steckdose.
    Eliš, sei mir nicht böse, aber du bist nicht ganz dicht. Was ist das?, hob er den drahtumwickelten Ziegel hoch.
    Das kennst du nicht? Du hast noch nie so was gesehen? Damit hab’ ich mir zugeheizt. Die um den Ziegel gewickelten Drähte beginnen zu glühen, und das gibt eine ordentliche Wärme. Aber die Steckdosen sind krepiert. Und mit den Sicherungen hat das nichts zu tun.
    Kamil wickelte den Draht vom Ziegel und riss ihn vom Kabel ab und musterte das ausgefranste Ende.
    Füchschen, das hätte dich umbringen können. Oder dein Atelier wäre abgebrannt. Du hast hier doch einen prima Ofen, und sollten dir das Holz oder die Kohlen ausgehen, dann weißt du doch, an wen du dich wenden kannst. Und er blickte sich um: Du hast ein großes Atelier haben wollen, und so eines lässt sich schwer beheizen. Na, jetzt ist es am Morgen ja nicht mehr so kalt, und bis zum Herbst werden wir uns was einfallen lassen.
    Und er ging zum Kasten mit den Sicherungen, um nachzusehen. Er schraubte eine nach der anderen heraus, untersuchte sie, nickte, dass sie in Ordnung seien, und tat sie wieder hinein.
    Wie lange spinnen die Steckdosen schon?
    Drei Tage.
    Ich schick dir jemanden vorbei. Noch heute oder morgen.
    Geh noch nicht. Du hast nicht fertig erzählt.
    Was? Aber da gibt’s nicht mehr viel. Ich stand in der Nähe des offenen Fensters und hörte dadurch, wie sich der Stasimann auf dem Gehsteig mit dem im Fenster bei den Kratochvils unterhielt. Der im Fenster hatte wahrscheinlich Angst, der kleine Kratochvil könnte jetzt den Verbindungsmann machen zu jemandem, der im Cajpl auf ihn wartete. Die von der Stasi denken so. So steht’s in den Richtlinien ihrer Dienstausbildung, und für solche Gedankengänge werden sie bezahlt. Und daher rannte der vom Gehsteig dem kleinen Kratochvil nach, zum Cajpl. Ja, und noch was. Gestern bin ich im Treppenhaus Doktor Pešek begegnet. Der unter mir wohnt. Meine Frau repariert ihm die Zähne. Er sagte, man würde im Haus erzählen, der Kratochvil wäre emigriert. Und dass wir damit rechnen müssen, dass sie hier nach und nach alle verhören werden.
    Na, dich betrifft es ja nicht. Um dich kümmert sich schon

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