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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Fall, den du als Oberleutnant des Korps der Nationalen Sicherheit ergattert hast?
    Unterleutnant, Meli, erst mal nur Unterleutnant. Weißt du, ein gewisser Angehöriger der Staatssicherheit ist plötzlich verschwunden, Rudolf Švarcšnupf alias Leutnant Láska. So als hätte ihn, stell dir vor, die Erde verschlungen. Es ist ein Fall von Totalverschwinden. Und das habe ich zu eruieren, Meli.

ZWEITER TEIL

DIE GESCHICHTE EINES WAHREN MENSCHEN
    14. Juli 1952 Heute ist der Jahrestag der Französischen Revolution – Erstürmung der Bastille. In den Zeitungen allerdings kein Wort davon, obwohl wir aus den Schulbüchern wissen, dass die Französische bourgeoise Revolution der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution vorangegangen beziehungsweise zwangsläufig ihre Vorstufe gewesen ist. Diese eiserne Kausalität, die Aufeinanderfolge von Gesellschaftsordnungen, bei der die folgenden aus den Trümmern der vorangegangenen hervorwachsen, bei der die vorangegangenen den Humus für eine progressivere Ordnung bilden, ist freilich nicht Sache der Journalistik. Das ist Hegels und Marx’ „historische Notwendigkeit“, die Nationen und ganze Menschheitsepochen nur als notwendige Stadien benützt, die der große weltgeschichtliche Prozess auf der aufsteigenden Geschichtsspirale durchschreiten muss. Die Schicksale der Menschen müssen sich dem unterordnen. „Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Perioden des Glücks sind nur leere Blätter in ihr“, behauptet Hegel. Und manche Dinge sollte man in der gewöhnlichen Journalistik wirklich besser nicht zu sehr offenlegen. Schließlich betrifft jene Kausalitätja auch unsere Gegenwart. Wenn es den Ersten Weltkrieg nicht gegeben hätte, Verdun und Senfgas, hätte es auch die Sowjetunion nicht gegeben, sie ist aus dem Trümmerfeld des Krieges hervorgewachsen, und wenn es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hätte, Hitler und Auschwitz, wäre der Funke der sozialistischen Revolution nicht bis nach Mitteleuropa übergesprungen. Und von meiner Arbeit in der Waffenfabrik, der Zbrojovka, weiß ich nur zu gut, dass unsere ganze Industrie aufbaut auf der Vorbereitung eines dritten Weltkriegs. Dieser Krieg ist ebenso gesetzmäßig wie das Faktum, dass es danach auf der ganzen Welt nur noch eine absolut gerechte, aber wahrscheinlich überhaupt nicht glückliche Gesellschaftsordnung geben wird. Und unsere Friedensbewegung ist deswegen nur
pia fraus
, wo doch irgendwo geschrieben steht, dass wir arglos wie die Tauben und zugleich listig wie die Schlangen sein sollen. Und was bedeutet in dieser Geschichtsmühle mein einzelnes, beschissenes Leben?
    Mir ist klar, dass du dir in der Fabrik dein Kaderurteil aufpolieren willst, sagte der Meister zu mir, aber wer soll dir, mit deinen zwei linken Händen, dabei ständig zuschauen? Wenn die mir noch so einen Schreiberling hierher stecken, philosophierte er, dann können wir mit dem Plan in den Arsch gehen.
    Von Kožík drucken sie ein Buch nach dem anderen, und dabei kann ich mich noch bestens daran erinnern, wie sich die deutsche Propaganda seiner bedient hat im Frühjahr 1943 in der antisowjetischen Kampagne, als im Wald von Katyn Massengräber polnischer Offiziere aufgetaucht sind. Wie ist es möglich, dass Kožík das nachgesehenwurde, während man mir nicht einmal nachsieht, dass mein Vater eine Bäckerei gehabt hat? Was mache ich falsch?
    15. November 1952 Ich habe mir ein Tagebuch angelegt. Würde ich hier eine Kängurufarm eröffnen, hätte das in meinem Fall aber den gleichen Effekt. Die Tage in der Fabrik sind todlangweilig, ich habe nichts, worüber ich schreiben kann, und was in diesem Land vorgeht, davon verstehe ich vorderhand nicht viel. Aber jetzt ist da immerhin eine Sache, die es wert ist notiert zu werden. Architekt Modráček hat mich nämlich besucht. Zuletzt haben wir uns gesehen, als ich kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 1947 in der Buchhandlung Barvič und Novotný die „Geschichten eines klugen Dachses“ signierte. Das Buch verkaufte sich gut, wie das mit hübsch erzählten Kinderbüchern vor Weihnachten so ist, und so war ich guter Laune, als soeben die lange Schlange meiner Leser sich langsam an mir vorbeibewegte und mit ihrem Schwanz (übrigens, wo endet ein Schlangenkörper und wo beginnt der Schwanz einer Schlange?) das Tischchen streifte, an dem ich saß, und unter den letzten war Architekt Modráček. Ich fragte ihn, ob er etwa schon glücklicher Vater sei, weil er sich ein Kinderbuch kaufe. Er erklärte

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