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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Nebenzimmer aus durchsichtigen Spiegel, der die ganze Wand bedeckt. Sie gehen näher ran und sehen, dass Sie grün wie Spinat sind.
    Sie zeigen sich angewidert die Zunge. Aber das hätten Sie nicht tun sollen, die ist geradezu giftgrün.
    Schnurstracks zum Bahnhof. Sie haben Glück, in acht Minuten von Bahnsteig drei der Nachtzug nach Tišnov. Der Waggon ist leer. Sie stehen auf dem Gang und schauen, wie schnell da und dort irgendwelche Lichter nach hinten fliehen, Lichter wie von einer toten Stadt, wie von einer unter einer schwarzen Kapuze liegenden, einen nächtlichen Luftangriff der Nato erwartenden Stadt. Sie sind am Weg nach Hause, auf die Vysočina. In Tišnov warten Sie dann auf den Zug nach Žďár, aber auf einmal fällt Ihnen ein, dass Sie offenbar verrückt geworden sind. Sie sind nach Hause losgefahren, um mit Mutter und Vater zu reden, um ihnen alles zu erzählen, wie Sie heute einen Menschen getötet haben, ihn erschießen mussten. Als hätten Sie ganz vergessen, dass Sie schon lange kein Zuhause mehr dort haben. Mama ist gleich nach dem Krieg an Gebärmutterhalskrebs gestorben und Vater, der richtig an ihr hing – er war ein Mann, der mit einer Schulter einen Dachstuhl stützen und mit einem einzigen, energischen Wort jede beliebige Wirtshausschlägerei beenden konnte –, hat nach ihrem Tod Selbstmord begangen.
    Was ist nur los mit mir?, fragen Sie. Sie haben so etwas noch nie erlebt. Vielleicht gibt es in jedem Menschen eine Grenze, und Sie haben sie heute überschritten. Sie sitzen auf einer Bank vor dem Tišnover Bahnhof und warten auf den Zug, der Sie wieder zurück nach Brünn bringt. Und die Augen fallen Ihnen zu, und erst der Regen lässt Sie zu sich kommen. Sie gehen zum Bahnhofsvorsteher, klopfen an die Tür mit der Glasfüllung und zeigen denen dort durchs Glas Ihren Dienstausweis. Sie rufen in der Běhounská wegen eines Dienstwagens an.
    Es ist schon drei Uhr nachts, und Kočí hat noch nichts von sich hören lassen. Er weiß doch, wie ungeduldig Sie auf seinen Rapport warten. Egal wohin er gegangen ist, er hätte doch von dort telefonieren können. Oder konnte er es nicht? Wieder ein unentschuldbarer Fehler. Sie hätten ihn nicht alleine losziehen lassen dürfen. Oder wenigstens feststellen müssen, was er über Láska weiß und wohin er geht, ihn zu holen. Dann klopft jemand an die Tür.
    Sie springen auf: Kočí?
    Die Tür öffnet sich, und einer der Polizisten von der Nachtstreife steht dort. Ich wollte Sie fragen, Genosse Kommandant, ob Sie vielleicht etwas brauchen? Kaffee kochen …
    Wie heißt du, Genosse?
    Paseka.
    Dann ist das ein Irrtum. Etwas wie Quälgeist oder zudringliches Ekel wäre ein besserer Name für dich. Oder …
    Polizistchen Paseka weicht schnell durch die Tür zurück und schließt sie leise hinter sich.
    Aber jetzt, wo Paseka Sie aus dieser apathischen Starre herausgerissen hat, aus dem statuenhaften Sein, in das Sie versunken sind nach der Rückkehr aus Tišnov, sind Sie zu dem Entschluss gekommen, etwas dagegen zu unternehmen. Vielleicht sollten Sie über das Ganze mit Ihrer Frau reden. Ja, das ist es, Sie haben es nötig zu beichten. Ideal wäre selbstverständlich Walentin Petrowitsch. Der sowjetische Konsul ist annähernd im Alter Ihres Vaters, und die gewisse väterliche Autorität spüren Sie eindeutig in ihm.Aber der ist jetzt in der Nacht unzugänglich. Sie müssen damit vorlieb nehmen, was da ist.
    Polizist Paseka freut sich, dass er Ihnen endlich von Nutzen sein darf. Er läuft in die Garage, um den vor einer Weile dort geparkten Tatraplan zu holen, und macht ihn wieder startbereit, aber als er sich hinter das Lenkrad setzen will, drängen Sie ihn hinaus und schlagen ihm die Autotür vor der Nase zu. Der Tatraplan schüttelt sich zweimal wie in Todeskrämpfen und rollt dann schon los zu einem unerwarteten Abenteuer.
    Das nächtliche Pisárky hat sich sogar unter dem neuen Regime den Charakter eines Residenzviertels erhalten. Hier wird der abendliche Zapfenstreich nicht so strikt eingehalten, weil auf die hiesige Belegschaft nicht früh am Morgen Drehbänke, Fräsen, Gabelstapler, Portalkräne und auch keine Webstühle warten. Die Lichter der klassizistischen, neobarocken, Neorenaissance-, rustikalen und Jugendstilvillen verlieren sich im Grün von Gärten, oder hohe Mauern mit bandförmigem und auch sogenanntem Diamantbossenwerk schirmen sie ab. Und obwohl hier die Besitzer wie auch die Mieter ausgetauscht worden sind – die Besitzer von

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