Das Versprechen Des Himmels
zweite Abend war ein genauso überwältigender Triumph wie der erste. Es waren nicht nur Lowan Vigeles und Rosanda gekommen, sie hatten auch so viele Gladiatoren mitgebracht, daß die Sitzplätze im Theater kaum ausreichten. Alle Gladiatoren trugen ihre beste Ausgehkleidung, und das von Gold widergespiegelte Kerzenlicht lenkte fast schon von den Darbietungen auf der Bühne ab. Es wurde nur noch von Lady Rosanda überstrahlt. Sie war auf eine Art im Stil des rankanischen Hochadels gekleidet, die ungefähr genauso beeindruckend wie die formelle Cosa war, die die Beysa am Abend zuvor getragen hatte.
Natürlich mit dem Unterschied, daß die Brustwarzen Lady Rosandas bedeckt waren.
Am dritten Morgen klebten Vomistritus' Wandzeitungen überall in der Stadt, und sie waren voll von reichlichem Lob für die Aufführung und sämtliche Darsteller. Wenn man in seinen Ausführungen überhaupt ein unvernünftiges Vorurteil finden konnte, stellte Feltheryn während eines Frühstücks fest, das aus heißer Zitronenkrautptisane und in ausgelassenem Speck gebratenen Eiermais bestand, dann war es das übermäßige Lob für Sashana.
»Sie ist zweifellos großartig«, murmelte er kauend. »Aber so großartig nun auch wieder nicht!«
Deshalb kam es völlig überraschend, als Lady Sashana am vierten Morgen nach der Premiere mit ihren Leibwächtern im Theater erschien und ihren Entschluß verkündete, sie würde den Cousin des Kaisers umbringen, koste es, was es wolle.
»Mein armes Kind!« rief Feltheryn aus, zog einen Stuhl an den Tisch heran, damit sie sich setzen konnte, und bemerkte dabei, daß ihr Gesicht blaue Flecken aufwies. »Was, um alles in der Welt, ist passiert?«
Lady Sashana ballte die Fäuste auf dem Tisch und versuchte zu sprechen, aber sie konnte nur stoßweise atmen, und der Ansturm widersprüchlicher Gefühle, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, machte es ihr unmöglich, ein artikuliertes Wort hervorzubringen. Feltheryn musterte die Leibwächter und stellte fest, daß sie ebenfalls blaue Flecken und darüber hinaus noch Schnittwunden und Abschürfungen hatten. Was noch schlimmer war, jeder, den Feltheryn ansah, schlug die Augen nieder, und alle Gesichter waren rot vor Scham.
»Er.«, begann Sashana, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
Glisselrand betrat die Küche, erblickte Sashana und stellte sofort eine Tasse heiße Ptisane vor ihr auf den Tisch. Myrtis, die hinter Glisselrand eingetreten war, erstarrte, und ihr Gesicht wurde ausdruckslos.
Sashana trank etwas von der Ptisane, hustete und begann noch einmal von vorn.
»Gestern nacht habe ich nach der Vorstellung eine Nachricht von Vomistritus bekommen. Darin stand, er würde eine kleine Feier mit einem Abendessen veranstalten und um mein Kommen bitten. Nach all den netten Dingen, die er über die Aufführung und meine schauspielerische Leistung gesagt hatte, dachte ich, ich sollte hingehen.«
»Zu dieser späten Stunde?« fragte Glisselrand. »In Freistatt?«
Sashana lächelte reumütig.
»Ich bin kein Dummkopf, jedenfalls kein völliger Dummkopf! Ich habe meine Leibwächter mitgenommen, und ich konnte es ja auch sehr gut damit begründen, daß es für mich zu gefährlich gewesen wäre, zu dieser späten Zeit alleine durch die Straßen zu laufen. Vomistritus hat mich persönlich eingeladen, und er schien äußerst erfreut, auch meine Männer bewirten zu können. Er hat seinen Dienern befohlen, sie mit Wein und Fleisch zu versorgen, und mich dann nach oben geführt, wo die Feier stattfinden sollte.«
Sie trank einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse.
»Ich habe sofort begriffen, was mir bevorstand, denn der Tisch war nur für zwei gedeckt. Ich wollte gehen, aber die Tür war von außen verschlossen worden. Ich habe von ihm verlangt, sie zu öffnen, aber er hat nur gelacht. Ich habe, so laut ich konnte, wie Ihr es mir beigebracht habt, nach meinen Männern gerufen, aber keine Antwort erhalten. Dann ist Vomistritus zum Tisch gegangen, hat sich gesetzt und die Speisen aufgedeckt und sich dabei benommen, als hätte er die Schlacht schon gewonnen. Und dann, dann hatte diese übergewichtige Imitation eines Abwinddreckschweins die ungeheuerliche Unverschämtheit, mir gegenüber Euren Monolog zu zitieren, Meister Feltheryn, den aus dem Ende des zweiten Aktes von Der Niedergang eines Stars!«
»Die Menschen nennen mich korrupt, und doch kennen sie nicht die Abgründe meiner Verdorbenheit und meiner Gelüste...«, begann Feltheryn.
»Ja, diesen
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