Das Versprechen Des Himmels
Freilassung zu bitten!«
»Schon besser!« rief Sashana.
»Und, Meister Feltheryn«, fuhr Rounsnouf fort, »wir haben schon mehrere Jahre lang nicht mehr Der dicke Gladiator aufgeführt; könnten wir vielleicht die Dämonenkostüme aus der letzten Szene benutzen? Wir werden ihn mit irgendeiner List in den Wald locken, genau wie in dem Theaterstück, und dort auf ihn warten. Dort werden wir ihm entsetzliche Angst einjagen, ihn fangen, fesseln, ihm den Mund verkleben, und er wird nicht sagen können, wer ihn in das Haus der Peitschen gebracht hat! Danach können wir die Kostüme verbrennen und damit sämtliche Beweismittel vernichten.«
Alle Blicke richteten sich auf Feltheryn, doch Feltheryn antwortete nicht sofort. Daß sie verlangten, ein paar alte Kostüme zu vernichten, war bedeutungslos. Ebensowenig störte er sich an dem Risiko. Natürlich würde Vomistritus irgendwann im Laufe der Ereignisse das Komplott aus Der dicke Gladiator erkennen und begreifen, daß es die Theatergruppe war, die sich an ihm rächte, aber das spielte keine Rolle, denn der Kritiker würde sie nicht alle töten lassen können. Ein solches Vorgehen würde Kaiser Theron nicht dulden, nicht einmal von seinem Cousin. Und wer für ein solches Verbrechen verantwortlich war, würde für alle offensichtlich sein.
Nein, Feltheryn zögerte um Sashanas willen. Wenn er dem Plan zustimmte, würde er sie in eine Situation bringen, in der sie jemandem die gleichen Grausamkeiten zufügte, die sie selbst erlitten hatte. Wodurch sie eine innere Befreiung erringen mochte, aber um welchen Preis? Sie war eine Dame aus gutem Haus; andererseits hatte sie jedoch auch die Ermordung ihrer Eltern und die unerbittliche Härte der Wüste überlebt. Wie sehr würde dieses furchtbare Erlebnis ihrer Seele schaden?
Doch wie sehr hatte ihre Seele jetzt schon Schaden genommen?
Feltheryn nickte.
»Aber eine Frage bleibt trotzdem ungelöst«, gab er zu bedenken. »Wir können vielleicht verhindern, daß Vomistritus Beweis gegen uns in der Hand hat, aber er wird Bescheid wissen, und soweit ich das beurteilen kann, wird er versuchen, seinerseits dafür Rache zu nehmen. Wir brauchen so etwas wie ein scharfes und schreckliches Schwert, das über seinem Kopf schwebt, so daß er es nie mehr wagen kann, etwas gegen uns zu unternehmen.«
Wieder breitete sich Stille in der Küche aus, doch dann klang von der Tür her ein ruhiges Hüsteln auf. Alle drehten sich um, und da stand Lalo, der Maler, der rötliche Haarkranz wirr und unordentlich, die Finger mit Farbe bekleckert. Er war schon früh am Morgen gekommen, um ein paar Dinge an der Bühnenausstattung nachzubessern, mit denen er nicht zufrieden gewesen war.
»Ich glaube, dabei könnte ich behilflich sein«, sagte er.
So kam es, daß in einem merkwürdig menschenleeren Park, der das Himmlische Versprechen genannt wurde, ein schwergewichtiger, grüngekleideter Mann von Dämonen überfallen wurde. Er schrie laut auf, aber seine Speichellecker, die ihm zu Hilfe eilen wollten, blieben entsetzt stehen, als sie den Weg von einem Trupp Gladiatoren aus Lowan Vigeles' Schule in Landende versperrt fanden. Die Schreie ihres Gebieters verstummten schon bald oder waren zumindest nur noch erstickt zu hören, und die Speichellecker, deren Loyalität lediglich erkauft war, zogen sich schnell vom Ort des Geschehens zurück.
Es war nicht das erste Mal, daß der Park Dämonen als Spielwiese gedient hatte, aber später kehrten die Damen, die entweder zu tief in den Fängen des Krff steckten oder zu häßlich waren, um in der Straße der Roten Laternen zu arbeiten, wieder zurück, für die verlorene Zeit großzügig entschädigt.
Es hätte auffallen können, daß die als Schüler verkleidete Schülerin (in Die Hochzeit der Zimmermagd) ein paar Nächte lang etwas weniger spritzig agierte. Daß das Stück vielleicht etwas verhaltener wirkte als während der Premiere. Daß bestimmte Aspekte der Inszenierung stärker und andere schwächer betont wurden.
Es hätte auffallen können, aber es fiel nicht auf, denn in Freistatt sahen sich nur wenige Menschen eine Aufführung mehr als einmal an. Und es gab fortan keine Kritiker mehr, die sich darum kümmerten.
Denn ein gewissenhafter und gerechter Kritiker zu sein ist eine riskante Angelegenheit. Er muß feste Kriterien haben, aufgrund derer er sein Urteil fällt, aber er muß sich ebenfalls der Gefühlswelt einer Arbeit öffnen. Wie der Regisseur muß er in der Lage sein, das Stück aus der Sicht des
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