Das Versprechen Des Himmels
Silberstück in die schmutzige Hand.
»Und jetzt hinweg mit dir«, warnte er ihn. »Und daß du mir deinen Freunden nicht erzählst, ich sei leicht auszunehmen, denn sonst finde ich dich und hänge dich an die Stadtmauer!«
Als der Spielmann den Jungen laufen ließ und ihm nachblickte, wie er in der Menge verschwand, lächelte Mariat und dachte, wie typisch eine solche Großzügigkeit für diesen Mann war. Sie und ihre Enkel hatten ihn, als er mit ihnen in der Karawane von Ranke hierher reiste, kennen und lieben gelernt.
Der Barde hatte sich voll Zuneigung der drei Kinder angenommen, er hatte mit ihnen gespielt und sie jeden Abend in den Schlaf gesungen. Mariat war sehr froh darüber, denn er war der einzige Mann mit gutem Einfluß auf die Kinder, seit deren Vater, ihr Sohn, durch Gewalt sein Leben hatte lassen müssen. Aus irgendeinem Grund hatte Sinn Gefallen an ihrer Familie gefunden, sich ihnen angeschlossen und sich während der Karawanenreise um sie gekümmert.
Nun kam der Barde zu ihrem Wagen. Nachdem er die Pferde getätschelt hatte, lächelte er zu der Frau empor, die ihre Zügel hielt.
»Ich glaube, ich habe eine passende Unterkunft für uns gefunden, Madame«, sagte er höflich und vergnügt. Obwohl Mariat keinen Anspruch mehr auf einen Titel hatte, behandelte Sinn sie mit der Höflichkeit und dem Respekt, der einer Edelfrau zustand. Das machte den charismatischen Spielmann nicht nur noch liebenswerter, sondern war auch ein Quell für sie, der ihr Kraft und Zutrauen gab und ihre Hoffnung stärkte, daß sie imstande sein würde, durchzuführen, weshalb sie nach Freistatt gekommen war.
»Herauf mit Euch, Freund, setzt Euch zu mir«, forderte Mariat ihn auf. »Und führt uns zu der Unterkunft, die Ihr gefunden habt. Ich bin ausgetrocknet und reisemüde und möchte gern ein richtiges Bad nehmen und ein ordentliches Mahl essen.«
»Ihr werdet beides bekommen und mehr«, versicherte ihr Sinn und legte seine Mandoline behutsam zwischen Mariat und sich, um sicherzugehen, daß ihr nichts passierte. Schließlich verdiente er mit diesem Instrument seinen Lebensunterhalt. Dann wies er Mariat den Weg zu dem Gasthaus, das er gefunden hatte, und Kendrick folgte mit dem zweiten Wagen.
In dieser Nacht konnte Mariat sich in einem bequemen Bett in einem eigenen Zimmer entspannen. Es war die erste wirkliche Erholung seit vielen Wochen. Der Gasthof, den Sinn entdeckt hatte, hieß »Warmer Kessel« und war ein malerisches Haus in einem guten Viertel. »Gut« bedeutete in diesem Fall, daß es sich weder in Abwind noch im Labyrinth befand. Obwohl sie erst einen Tag in der Stadt waren, hatte Mariat bereits gehört, daß anständige Leute diese beiden Rattenlöcher wie die Pest mieden.
Die Wirtsleute des Warmen Kessels waren ein freundliches, älteres ilsigisches Ehepaar. Shamut und Dansea, seine Gattin, bewirtschafteten den Warmen Kessel bereits lange, ehe die Rankaner in die Stadt gekommen waren, und ihr Haus blieb vom größten Teil der freistättischen Unruhen verschont, was hauptsächlich daran lag, daß sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten und ihr Haus ehrlich betrieben.
Das Paar fragte seine Gäste nicht aus und erwartete seinerseits keine Schwierigkeiten von ihnen. Shamut war außerordentlich hilfreich gewesen, Mariats größte Besorgnis zu beruhigen. Die Ladung ihrer Wagen, die sie während der Überquerung des Gebirges und der Wüste wie ihr Herzblut bewacht hatte, war nun sicher in den verschlossenen Gewölben von Shamuts Kellern untergebracht. Der ilsigische Wirt hatte ihr auch Kaufleute und Händler empfehlen können, an die sie sich wegen Investitionen wenden konnte. Zu guter Letzt hatte er ihr obendrein noch den Namen des Mannes genannt, zu dem sie sich begeben mußte, um sich über die Möglichkeit zu erkundigen, Land um Freistatt zu kaufen, und über die Preise: Molin Fackelhalter, der rankanische Priester und oberste Beamte der Stadt.
Da ihre Enkel und ihre Ware nun sicher untergebracht waren, suchte Mariat ihren ersten ruhigen, erholsamen Schlaf seit Monaten. Doch ehe sie ihn fand, weckte die Erinnerung die Geister ihrer alptraumhaften Vergangenheit.
Sie glitt in ihr Leben vor neun Monaten zurück. Ihr Gemahl, Kranderon, hatte das größte und namhafteste Weingut von ganz Ranke betrieben - die Aquinta-Weinkellerei. Aquinta war eine westliche Provinz Rankes, und ihre Weinberge brachten die besten Trauben für guten Wein hervor. Kranderons Familie hatte ein eigenes Handelsreich aufgebaut
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