Das Versprechen des Opals
Hilfe. Lässt du sie eine Minute aus den Augen, gehen sie auf Wanderschaft.« Jetzt hatte auch sie die Staubwolke gesehen und beschirmte die Augenmit der Hand. »Hoffentlich ist das der Treiber. Es war eine grässliche Plackerei, die Mastochsen zusammenzutreiben, und ich habe keine Lust, sie wieder laufen zu lassen und noch mal von vorn anzufangen.«
Miriam wollte antworten, als ihr klar wurde, dass sie sich irrten. Kein Treiber, der etwas taugte, ging irgendwohin ohne sein Pferd, und die Staubwolke war zu hoch.
»Das ist ein Auto«, sagte sie, als sich die Staubwolke näherte. »Wen kennen wir denn, der ein Auto besitzt?«
Gladys sammelte ihre Kinder ein. »Mim«, sagte sie ängstlich, »der Priester hat ein Auto. Du glaubst doch nicht …?«
Die beiden Frauen standen auf und warteten, ein Kind auf dem Arm, die andern um sich versammelt. Die Angst war ihnen ins Gesicht geschrieben. Father McFarlaine war kalt wie ein Fisch – ein Mann mit sprödem Humor und wenig Mitgefühl. Er ließ niemals einen Zweifel daran, dass er seine Gemeinde im weitläufigen Outback als Sprungbrett nach Rom betrachtete. Seine Ankunft konnte nur eines bedeuten.
Der Wagen kam knirschend zum Stehen. Chrom blinkte stumpf unter der Staubschicht. Die Tür öffnete sich, und der Priester kletterte heraus.
Miriam ließ sich auf den Stuhl fallen und drückte die protestierende Chloe an die Brust.
Gladys stand da wie eine Statue. Sie presste eine Hand vor den Mund, und ihre Augen waren schreckgeweitet. »Wer ist es?«, fragte sie durch die Finger. »O Gott, wer ist es?«
Miriam spürte, wie eine kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Die Welt um sie herum drehte sich wild, und dunkle Schleier ließen den Priester vor ihr verschwimmen. Sie merkte, dass sie Chloe fast erdrückte, und setzte sie auf den Boden. Ihre Hände fuhren zu ihrem Leib, denn das Ungeborene begann zu strampeln.
»Sie bringen ein Telegramm.« Es war eine Feststellung, und die Muskeln in ihrem Gesicht waren so starr, dass sie die Worte kaum hervorbrachte.
Er nickte, kam herauf und blieb neben Gladys stehen. Aber Miriam sah, dass seine Aufmerksamkeit ihr galt, und die kalte Hand an ihrem Herzen drückte noch fester zu.
»Ich habe die traurige Aufgabe, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass Ihr Ehemann in der Schlacht von Gallipoli gefallen ist«, erklärte er steif. »Er hat Mut über alle Pflichterfüllung hinaus bewiesen und eine Auszeichnung erhalten.«
Er klopfte sich den Staub von der schwarzen Soutane und blickte starr auf einen Punkt hinter Miriams Schulter. »Die ersten Australian Imperial Forces waren glorreich in ihrer Niederlage, und sie haben ihr Leben mutig und brüderlich hingegeben. Australien hat bewiesen, dass es endlich eine große Nation ist. Sie müssen sehr stolz sein.«
Die Welt kippte, und graue und schwarze Wirbel kreisten immer schneller umeinander. Wie aus weiter Ferne fühlte sie, dass Hände sie packten, sie zu dem Tagesbett am Ende der Veranda führten und ihr schließlich ein kaltes Tuch auf die Stirn legten.
Sie hörte nur die Worte, die ihr in den Ohren hallten. Sie sah nur Edward, dessen Haar im Sonnenlicht feurig loderte, während er im Corral die Pferde bewegte. Das konnte nicht wahr sein! Er würde sie niemals verlassen. Wenn er tot wäre, hätte sie es gewusst. Hätte irgendwie gespürt, dass er für immer fort war.
Die Stimme des Priesters drang aus weiter Ferne zu ihr. »Ich wäre nicht gekommen, wenn ich von Ihrem Zustand gewusst hätte«, sagte er. »Wann wird es …?«
»In vier Wochen, vielleicht eher, nach diesem Schock«, fuhr Gladys ihn an. »Sie hätten wirklich behutsamer sein können.«Sie zögerte und fragte dann mit zitternder Stimme: »Was ist mit Frank, Father? Ist er wohlauf?«
»Keine Nachrichten sind gute Nachrichten, meine Liebe«, sagte er herablassend. »Ich habe nichts gehört.«
Miriam versank in der lockenden Dunkelheit, nahm sie in sich auf, ließ sich von ihr liebkosen und in eine Welt ohne Schmerz, ohne Gedanken und Gefühle tragen. Ihr Gefühl für Zeit und Ort verlor sich in diesen schwarzen, alles einhüllenden Wolken, und nur ein drängender, fordernder Schmerz zog sie gegen ihren Willen in die Gegenwart zurück.
Edwards Sohn wurde auf dem Tagesbett geboren, während die Staubwolke hinter dem Auto des Priesters in der Ferne verwehte. Er lebte gerade so lange, dass sie ihn küssen und ihn beim Namen nennen konnte. Edward Henry Strong wurde auf dem winzigen Friedhof auf dem Hügel hinter dem Haus
Weitere Kostenlose Bücher