Das Versprechen des Opals
Zeit heilt alle Wunden – die alte Redensart war wahr, auch wenn Trauernde das nicht glauben wollten. Der Schmerz ließ nach, die Tränen trockneten, und eines Tages überstand man vierundzwanzig Stunden, ohne an den Menschen zu denken, den man verloren hatte. Aus diesen Stunden wurden Wochen, Monate und schließlich Jahre. Man suchte ihn nicht mehr an den gewohnten Orten, meinte nicht mehr seine Stimme zu hören. Die Erinnerung lebte im Herzen weiter, aber die Züge verschwammen, das Gesicht verschwand im Laufe der Zeit – wie auf alten Fotos, die in der Sonne verblichen.
Frank kehrte mit Gladys und den Kindern aus Burke zurück und ritt dann allein nach Baringun, um sich bei den Streitkräften zu melden.
Die beiden Frauen schauten der verwehenden Staubwolke nach. Als sie verschwunden war, wandten sie sich ab und kehrten ins Haus zurück. Blass und mit tränenlosen Augen saßen sie beim Tee, und die Kinder spielten zu ihren Füßen. An diesemTag wurde eine Freundschaft begründet, die sie tragen sollte, bis Gladys fünfzig Jahre später im Schlaf starb.
Bellbird schmorte in der Hitze des Sommers 1914, und als Weihnachten kam und ging, wurde ihnen klar, dass ihre Männer nicht so bald nach Hause zurückkehren würden. Durch Zeitungen und Rundfunkberichte erfuhren sie, dass dieser Krieg anders war als alle zuvor. Armeen von beispielloser Größe kämpften mit furchterregenden neuen Waffen. Maschinengewehre, Panzer, Giftgas, Flugzeuge und U-Boote waren die Werkzeuge des Todes, und eine einzige Schlacht konnte Hunderttausende von Opfern auf beiden Seiten fordern.
Zum ersten Mal in der Geschichte wurde auch die Zivilbevölkerung zum Angriffsziel. Die britische Blockade versuchte die Deutschen und ihre Verbündeten auszuhungern und zur Kapitulation zu zwingen, und die deutschen Unterseeboote taten das Gleiche mit den Briten. Die Kriegsanstrengungen verlangten die Unterstützung und Opferbereitschaft ganzer Völker, und die Frauen und Kinder im Outback pflanzten Weizen an und züchteten Rinder und Schafe für die Fleischmärkte. Wolle war so teuer wie nie; die Preise für eine komplette Schur stiegen um fünfzig Prozent über das Vorkriegsniveau.
»Dieser Krieg wird für uns Frauen alles verändern«, sagte Miriam. Die beiden Freundinnen saßen auf der Veranda und strickten. Es war im Mai 1915, und auf dem Tisch neben ihnen stapelten sich Socken, Westen, Fausthandschuhe und Schals, die an die Front geschickt werden sollten.
Gladys ribbelte eine ungleichmäßige Reihe am verhedderten Strickzeug ihrer Tochter auf und gab es ihr zurück. »Inwiefern?«, fragte sie.
»Wir haben gelernt, wie es ist, unabhängig zu sein«, antwortete Miriam. Sie ließ das Strickzeug sinken und strich über die Rundung ihres schwangeren Bauches. Draußen schriendie Kälber nach ihren Müttern, und die Kühe auf der äußeren Weide muhten zurück. Fette Ochsen standen in den Pferchen und warteten darauf, dass man sie am nächsten Morgen auf den Markt trieb. Pferde waren nicht mehr viele da, denn sie waren mit den Männern in den Krieg gezogen. Aber trotz aller Angst, dass Edward vielleicht nicht heimkehren würde, erfüllte sie mit tiefer Genugtuung, was sie, die Frauen, geleistet hatten, seit die Männer fortgegangen waren – und auch Trauer darüber, dass diese nicht hier waren, um diese Leistungen zu sehen.
»Frauen arbeiten in Fabriken und Werkstätten, in Schulen und sogar in Büros. Wir haben gelernt, selbst für uns zu sorgen, und wissen nun, wie es ist, Lohn in der Tasche zu haben – eigenes Geld.«
Gladys verzog das Gesicht, als ihre dreijährige Tochter entschied, dass sie sich langweilte, und die Wolle von der Veranda in den Staub warf. »Es wird nicht ewig dauern«, sagte sie. »Die Männer werden zurückkommen, und wir werden so froh darüber sein, dass wir alle Unabhängigkeit vergessen. Du wirst schon sehen.«
Miriam nickte. In der Ferne erhob sich eine Staubwolke. Wahrscheinlich kam der Viehtreiber, den sie erwarteten. »Kann sein.« Sie seufzte. »Aber die Jüngeren werden ihre Freiheit nicht mehr so leicht aufgeben. Für uns ist es anders. Solange Edward nur heil und gesund nach Hause kommt, ist es mir egal, wenn ich den Rest meines Lebens am heißen Herd verbringen muss. Es ist in dieser Hitze schon anstrengend genug, schwanger zu sein, ohne den ganzen Tag Männerarbeit zu verrichten und außerdem noch die Kinder zu versorgen. Gottlob haben wir die Jackaroos, die uns helfen.«
Gladys lachte laut auf. »Eine prima
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