Das Versprechen des Opals
Vaters heraus.
Alle schnappten nach Luft. »Aber natürlich …«, flüsterte Fiona.
»Wir hätten es wissen sollen«, sagte Louise.
»Na, da soll doch …« Jake schüttelte den Kopf.
Miriam betrachtete das Bild und hielt es ins Licht, damit man den zarten Pinselstrich genauer betrachten konnte. Seines Rahmens beraubt, erschien es klein, beinahe unbedeutend – aber natürlich, dachte sie, darf man sich nie auf den äußeren Schein verlassen, denn der trügt nicht selten.
»Er hat diesen Blick auf Lightning Ridge in den stillen frühen Morgenstunden und in der gedämpften Stimmung desAbends gemalt. Dann war er müde und schmutzig, und seine armen Hände waren von der Arbeit in der Mine strapaziert, aber er war erfüllt von diesem brennenden Wunsch zu malen. Mit beinahe fieberhafter Sehnsucht wollte er das außergewöhnliche Licht unserer neuen Welt einfangen. Dieses Bild war das letzte in einer Serie von Gemälden über die Minen von White Cliffs und Lightning Ridge. Von den anderen gibt es keine Spur mehr.«
Sie holte tief Luft; die Dramatik dieses Tages und der Triumph ihres Erfolgs drohten sie zu überwältigen. »Dieses Bild hat er Kate am Morgen seines Verschwindens gebracht. Es war sein letztes Geschenk, und sein kostbarstes. Er wusste, dass es niemals verkauft oder verschenkt werden würde. Und darum hat er einen Hinweis auf die Urkunden auf der Rückseite hinterlassen, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte.«
»Und was war das für ein Hinweis?« Fiona hockte ungeduldig auf der Armlehne von Miriams Sessel.
Miriam drehte das Bild um. Die Tinte war zu Ocker verblasst, aber noch lesbar. Sie reichte es Jake. »Lesen Sie vor.«
Er stellte sich mit dem Rücken zum Licht, damit er Henrys letzte Worte lesen konnte.
»Ich werde verrückt«, sagte er. »Das ist Shakespeare. Und ausgerechnet aus ›Ende gut, alles gut‹.« Er sah ihre verständnislosen Gesichter und lächelte. »Ihr Vater war wirklich ein sehr kluger Mann, Mim – und offenbar nicht ohne Humor.«
Als er sich umsah, wurde ihm klar, dass er sich nicht verständlich gemacht hatte. Er beugte sich noch einmal über die Handschrift auf der Leinwand. »Wer nicht genau danach suchte, würde niemals darauf kommen, was es bedeuten soll.«
»Aber was steht denn nun da?«, stöhnte Fiona und rutschte auf der Armlehne hin und her. »Verflucht, können denn alle hier nur noch in Rätseln reden?«
»Nicht solche Ausdrücke, Liebes«, tadelte Miriam in nachsichtigem Ton.
Jake lächelte und gab Fiona die empfindliche Leinwand. Er legte ihr die Hand leicht auf die Schulter, und sie schauten einander in die Augen.
»›Da Ihr den König vor mir sehen werdet, gebt dies Papier in seine gnäd’ge Hand.‹«
EPILOG
D rei Monate waren seit dem Prozess vergangen. Die Richterin hatte zu ihren Gunsten befunden, und ihrer Familie würde es nie mehr an irgendetwas fehlen. Nicht, dass das Geld etwas bedeutet hätte – es ging um das Prinzip, denn für Geld konnte man kein Glück kaufen, und Geld gab einem nicht die Liebe und den Halt, den die Familie zu geben hatte.
Miriam dachte an ihre Familie, als Frank sie nach Norden hinauffuhr. Fiona weilte im nördlichen Queensland, ohne Zweifel mit Jake, denn die beiden waren seit dem Prozess unzertrennlich, und Miriam vermutete, dass es bald eine Hochzeit geben würde.
Louise hatte unten in Sydney eine Therapie und einen Schauspielkurs begonnen. Und sie hatte jemanden kennen gelernt, einen netten Kerl namens Ed, der irgendetwas mit dem Theater zu tun hatte – aber es war noch zu früh, schon darauf zu hoffen, dass etwas Wichtiges daraus werden könnte. Louise brauchte ein bisschen Spaß, ehe sie wieder eine feste Bindung einging.
Jakes Kater Eric residierte immer noch auf der Bellbird-Farm, und er hatte bereits Kinder gezeugt. Lächelnd dachte sie daran, wie er zwei Wochen nach dem Prozess mit seinem Harem und einem halben Dutzend Kätzchen in ihre Küchestolziert war. Armer Jake, dachte sie. Eric ist er los, aber dafür hat er Fiona bekommen.
Und Chloe war ungewöhnlich konzentriert gewesen, als Miriam sie gebraucht hatte. Vergnügt dachte sie an Chloe und ihren Mann, wie sie sich fröhlich darüber zankten, in welchem Haus sie nun wohnen würden. Sie seufzte. Es war so schön, dass am Ende noch alles gut ausgegangen war.
Miriam hatte einen toten Punkt überwunden, aber sie wusste, dass es nicht mehr viel länger dauern konnte. Irgendwie hatte sie noch einmal die Kraft zu dieser langen, staubigen Reise
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