Das Versprechen des Opals
Sie betrachtete ihn eine ganze Weile, und nur das Schlabbern der Katzenzunge unterbrach das Schweigen.
»Ich habe gestern etwas gefunden«, begann sie schließlich zögernd. »Etwas, das in dieser Familie einiges verändern könnte – und nicht unbedingt zum Guten.«
Er richtete sich auf. Sein Interesse war offenkundig. Wieder fühlte Miriam sich an ihren vor langer Zeit verstorbenen Mann erinnert, denn auch Edward hatte Geheimnisse geliebt. »Was denn?« Sein Gesicht war ernst geworden.
Sie wandte den Kopf ab und biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie es ihm erzählte, wäre das Geheimnis heraus und es gäbe kein Zurück. Aber wie konnte sie schweigen? Zu viele Jahre war es her, dass die Wahrheit ausgesprochen worden war. Es war Zeit, die Sache ein für alle Mal zu Ende zu bringen.
Sie funkelte ihn an. »Ich werde es Ihnen zeigen, aber sie müssen mir versprechen, es für sich zu behalten, bis ich absolut sicher bin, dass ich die Angelegenheit vorantreiben möchte.«
Jake nickte, und Eric hockte auf seinem Kissen und beobachtete sie. Auf seinem Schnurrbart blinkten Milchtröpfchen.
Miriam mühte sich aus dem Sessel und schüttelte Jakes helfende Hand ab. »Ich bin vielleicht steif, aber noch lange nicht hilflos«, fauchte sie ihn an – so abscheulich unfreundlich, dass sie sofort um Verzeihung bat. »Es ist einfach grässlich, alt zu sein – Sie müssen meine Manieren entschuldigen«, sagte sie bärbeißig.
Er setzte sich lächelnd wieder in seinen Sessel, und Miriam humpelte ins Haus, um die Spieldose zu holen. Sie hatte an diesem Vormittag zu viel gearbeitet; der Schmerz pochte in den Kniegelenken, während er in ihrem Kreuz wie ein Drache fauchte. Sie schlurfte in die Küche und schluckte rasch zwei von den Tabletten, die der Arzt ihr für solche Momente verschrieben hatte.
Als sie auf die Veranda zurückkehrte, lehnte Jake am Geländer, die schmale Hüfte seitwärts geneigt; sein hübscher Hintern ragte vor, während er das Treiben auf dem Hof verfolgte. Jakes Hintern war ein sehr erfreulicher Anblick, und Miriam musste sich davon losreißen, um sich auf das zu konzentrieren,was jetzt wichtiger war. Da mag Schnee auf dem Dach liegen, dachte sie überrascht, aber verflixt – im Herd brennt noch immer ein Feuer.
»Da«, sagte sie und stellte die Spieldose auf den Tisch. »Der Beweis dafür, dass man mich um mein rechtmäßiges Erbe betrogen hat.«
Sie verfolgte, wie er den Schlüssel drehte und den Deckel aufklappte. Sah, wie sein Blick den tanzenden Figuren folgte und er verwundert die Stirn runzelte.
Als die Musik aufhörte und das Tanzpaar stehen blieb, zog Miriam behutsam das geheime Schubfach auf, das all die Jahre verborgen und jetzt zerbrochen war. »Ich habe sie fallen lassen«, erklärte sie. »Sonst hätte ich überhaupt nicht bemerkt, dass es da ist.«
Jake machte große Augen, als er erkannte, was darin versteckt lag, und mit einem fragenden Blick bat er Miriam um Erlaubnis, ehe er die Hand danach ausstreckte. »Mein Gott«, flüsterte er, »haben Sie eine Ahnung, was das ist? Und was es wert ist?«
Miriam war ein wenig verstimmt darüber, dass ein so junger Mann gleich begriffen hatte, was er da vor sich hatte. »O ja«, sagte sie leise. »Ich weiß genau, was das ist.«
Sein Gesicht leuchtete vor Staunen. »Aber woher kommt es?«, fragte er ehrfürchtig. »Und warum war es versteckt?«
»Das ist eine sehr lange Geschichte«, sagte sie, und die Schatten der Vergangenheit verdunkelten die warme Sonne. »Wenn ich sie Ihnen erzählt habe, ergibt sich hoffentlich ein klareres Bild, wie mein Problem gelöst werden kann.«
Fiona Wolff nahm den Sturzhelm ab, zog die Lederjacke aus und verstaute beides in den Packtaschen der Kawasaki. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, um es ein wenig zuordnen, und trug hastig Lippenstift und Eyeliner auf. Ein kurzer Blick in den Handspiegel: Das musste genügen, denn sie hatte sich bereits verspätet, und Leo, ihr Vater, würde aus der Haut fahren.
Leos Skulpturenausstellung fand in der führenden Galerie von Brisbane statt. Als Fiona die Treppe hinaufstürmte und dem Türsteher ihre Einladung zeigte, fragte sie sich, ob sie vielleicht ein bisschen mehr Sorgfalt auf ihre Kleidung hätte verwenden sollen. Es handelte sich offensichtlich um eine hochkarätige Gesellschaft; die Garderobe war alles andere als lässig, und sie fühlte sich einigermaßen fehl am Platz in ihrem Minirock, den hohen weißen Stiefeln und dem ärmellosen, engen
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