Das Versprechen des Opals
näher und viel zufriedener zu sein als früher. Die Scheidung war keineswegs grausam gewesen. Seither hatten die beiden eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut und ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse des anderen entwickelt. Sie sehen sich jetzt wahrscheinlich öfter als früher, dachte Fiona, während sie den Raum verließ und das Atrium durchquerte.
Die Bar war von Stahl und Glas beherrscht, sodass helles Sonnenlicht hereinflutete. Farbenprächtige Gemälde hingen an den Wänden, und rings um die niedrigen Tische hatte man weiche Ledersofas und Sessel für diejenigen aufgestellt, die einen Drink brauchten, nachdem sie die Preise für Leos Arbeiten gesehen hatten.
Fiona entdeckte ihre Schwester sofort und war erschrocken, wie blass und schmal sie war. Dieses schwarze Kleid ist unvorteilhaft, dachte sie, und der jungenhafte Haarschnitt auch – er betont die scharfen Wangenknochen und die dunklen Schatten unter den Augen nur noch.
Sie setzte ein Lächeln auf und trat an den Tisch. Ralph redete mit Volldampf auf einen rotgesichtigen Mann in einergrellen Weste und einem teuer aussehenden Anzug ein. »Da seid ihr ja«, sagte sie fröhlich. »Leo hat nach euch gefragt.«
Louise wollte aufstehen, aber dann warf sie Ralph einen Blick zu und setzte sich wieder. »Siehst du nicht, dass Rafe beschäftigt ist, Fiona? Leo wird warten müssen«, zischte sie.
Fiona runzelte die Stirn. Sie hatte den bangen Blick, den zögernden, beinahe gehetzten Ausdruck in den Augen ihrer Schwester sehr wohl bemerkt. »Aber das braucht dich doch nicht zu kümmern, oder?«, fragte sie beharrlich. »Komm, Louise. Dad will noch eine Flasche Champagner aufmachen.«
Nervös schaute Louise zu ihrem Mann hinüber, aber der ignorierte sie; er stand auf und schüttelte seinem Kollegen die Hand. Erst als der Mann außer Hörweite war, drehte er sich zu Fiona um und fauchte giftig: »Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht noch einmal in einer wichtigen Besprechung stören wolltest. Und es wäre mir lieb, wenn du Louise nicht zum Trinken ermuntern würdest – sie ist auf Diät.«
Fiona sah ihre Schwester an. »Auf Diät? Was für eine Diät?«, fragte sie erstaunt. »Du warst doch schon dünn genug.«
»Sie hat zwölf Kilo abgenommen«, sagte Ralph. »Das sind mindestens zwei Kleidergrößen. Ich finde, sie sieht wunderbar aus.« Frostig musterte er Fionas Figur, und seine verächtlich verzogenen Mundwinkel ließen deutlich erkennen, was er wirklich dachte.
Fiona hatte noch nie Probleme mit ihrem Gewicht gehabt. Sie hatte nichts dagegen, ein paar Pfund mehr zu wiegen, als sie wohl sollte, denn ihr war schon lange klar geworden, dass sie niemals eine Bohnenstange sein würde, und mit dieser Tatsache hatte sie sich weise abgefunden. Sie sah Louise an und begriff, dass es keinen Sinn hatte, den beiden zu sagen, was sie dachte: dass Louise halb tot aussah. »Und wie fühlst du dich, nachdem du so viel abgenommen hast?«, fragte sie sanft.
»Großartig.« Louise lächelte übertrieben. Sie stand auf und versuchte die Falten in ihrem kurzen schwarzen Kleid glatt zu streichen. »Du solltest es auch mal versuchen. Veganische Ernährung, außerdem kein Fett, keine Mehlspeisen, keine Milchprodukte. Tee, Kaffee und Alkohol sind natürlich auch tabu, aber die Pfunde purzeln nur so.«
Fiona starrte sie fassungslos an. Natürlich purzeln die Pfunde, wenn du verhungerst, dachte sie erbost. »Aber ich mag halb rohes Fleisch, eiskaltes Bier und Berge von Sahne auf meinen Erdbeeren – das Leben ist schon schwer genug, ohne dass man sich zum Märtyrer irgendwelcher Ernährungsmoden aus den sechziger Jahren macht.« Sie zog eine Schachtel Zigaretten hervor und zündete sich eine Zigarette an, nur um Ralph zu zeigen, dass er sie nicht tyrannisieren konnte wie ihre Schwester.
Wütend starrte er auf die Zigarette und wedelte den Rauch zur Seite, bevor er sich an Louise wandte. »Ich habe doch gesagt, dass es Falten kriegt«, knurrte er. »Du hättest das Mary-Quant-Modell anziehen sollen, das ich aus London habe kommen lassen.«
Louise zupfte wieder an ihrem Kleid. »Die gehen weg, wenn ich mich bewege«, sagte sie mit nervös verhauchter Stimme. »Außerdem war das Kleid, das du gekauft hast, zu eng. Es wäre nicht schicklich gewesen.«
»Ich glaube, ich weiß, was schicklich ist und was nicht.« Er nahm ihren Arm. »Und wenn du dich nicht mit all der Schokolade gemästet hättest, wäre es auch nicht zu eng.«
»Es waren nur zwei winzige
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