Das Versprechen des Opals
Absicht, zu ihr zu stehen. Aber du darfst nicht zulassen, dass ihre Anziehungskraft dich blind macht für deine Pflicht gegenüber der Familie.«
Henry wollte etwas erwidern, aber ihr vernichtender Blick machte ihn stumm.
»Ist dir klar, was ein solcher Skandal für Thomas und seine Karriere bedeuten würde? Und für das Ansehen deines Vaters im Geschäftsleben?« Sie stand auf, und das lange Reitkleid schwang um ihre Knöchel, als sie langsam auf ihn zukam.
»Oder willst du, dass unser guter Name in den Schmutzgezerrt wird? Dass unser Ansehen üblem Tratsch zum Opfer fällt? Dass man sich über unsere gesellschaftliche Stellung lustig macht?« Sie beantwortete die eigenen Fragen mit einem Kopfschütteln. »Reichtum bringt Verpflichtung mit sich, die Verpflichtung zum Dienst an denen, die weniger glücklich sind. Dieses Mädchen ist nicht nur katholisch, es gehört zur Arbeiterklasse. Und es weiß – anders als du –, wo sein Platz ist, und akzeptiert sein Los.«
Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm und schaute ihm ins Gesicht. »Ich bitte dich, überlege es dir, Henry. Wir alle müssen hier und da Opfer bringen, und ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Mädchen sehr bald heiraten und viele andere Kinder bekommen wird, mit denen es alle Hände voll zu tun haben wird. Du weißt doch, wie diese Katholiken sind.«
Henry schüttelte ihre Hand ab, entsetzt über so viel Gefühllosigkeit. »Es braucht keinen Skandal zu geben«, sagte er rau. »Maureen und ich werden heiraten, und wenn der Staub sich gelegt hat, können wir nach Hause zurückkehren.«
»Du unbedarfter Kindskopf!«, schnaubte Sir Oswald. »Komm zu dir, Junge. Wenn du jetzt fortgehst, kannst du dir jede Hilfe von mir aus dem Kopf schlagen – und von allen andern in dieser Familie ebenfalls. Allein der Gedanke daran, dass du diese irische Hure in mein Haus bringen könntest – von ihrem Bastard ganz zu schweigen!«, schnaubte er. »Wahrscheinlich ist das Balg nicht mal von dir.«
Die Stille war gefühlsgeladen. »Mag sein, dass ich unbedarft bin«, sagte Henry schließlich. »Aber mein Gewissen und mein Herz verbieten mir, sie und unser Kind im Stich zu lassen.« Sein fester Ton stand im Gegensatz zu seinem klopfenden Herzen und seinem trockenen Mund. »Wenn es dein Wunsch ist, mir den Rücken zu kehren, dann soll es so sein.«
Sir Oswald war puterrot, und mit Abscheu im Blick starrteer seinen jüngsten Sohn an. Dann wandte er sich ab und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Du bist nicht mehr willkommen in diesem Hause«, sagte er kalt.
Henry tat einen Schritt auf ihn zu. Er war fassungslos – in seinen finstersten Augenblicken hätte er sich nicht träumen lassen, dass sein Vater diese Drohung tatsächlich wahr machen würde. »Vater!«, sagte er flehentlich. »Bitte …«
»Nur ein Sohn darf mich so nennen«, unterbrach Sir Oswald. »Du hast dieses Privileg nicht mehr.«
Die Tür schloss sich hinter ihm, und seine Schritte verhallten. Henry war tränenblind und hatte einen Kloß im Hals, an dem er zu ersticken drohte, als er sich zu den andern umwandte.
Thomas hatte Emma am Ellenbogen gefasst; er half ihr beim Aufstehen und führte sie mit grimmigem Gesicht hinaus. Als sie an ihm vorbeikamen, warf Emma ihm einen Blick voll hilflosen Mitgefühls zu, der ihm das Herz zerriss.
Lady Miriam blieb eine ganze Weile stehen, und der Widerstreit der Gefühle war ihr anzusehen. »Ach, Henry«, flüsterte sie schließlich, »was hast du getan?«
»Wird er mir je vergeben?«, fragte er, vom Schmerz überwältigt.
Sie schüttelte den Kopf und betupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Augen. »Ich hoffe, dass sie es wert ist, mein Junge.« Ihr Kuss auf die Wange war warm, und als sie ihn umarmte, roch er den Rosenduft ihres Lieblingsparfüms.
Henry war entschlossen, seine Mutter nicht merken zu lassen, welche Qualen er litt, und als sie ihm etwas in die Hand drückte, konnte er kaum erkennen, was es war, so sehr kämpfte er mit den Tränen.
»Viel ist es nicht, aber es wird dir einen neuen Anfang ermöglichen, falls du sie findest«, murmelte sie seufzend. »Wenndu weit genug fortgehst, wird dein Vater sich vielleicht irgendwann erweichen lassen – aber erwarte nicht zu viel von ihm. Er ist aus hartem Holz geschnitzt und wird sich kaum beugen. Er wird niemals eine Katholikin in der Familie akzeptieren.«
Sie gab ihm noch einen Kuss, und Henry klammerte sich an sie, denn er wusste, dass er sie wahrscheinlich nicht
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