Das Versprechen des Opals
Puppen schaute von einem Wandbord zu ihm herunter, und unter ihren vorwurfsvollen Glasaugen fühlte er sich wie ein Eindringling. An den Wänden hingen Drucke von einigen der berühmtesten Bilder der Welt; er erkannte Monets Wasserlilien , van Goghs Sonnenblumen und Degas’ Ballettklasse . Die Bücher nahmen dieses Thema auf; es waren Werke über die großen Maler, Biographien und ein dicker Band über die Kunst des Mittelalters.
Überrascht sah er sich um. Bei der Tochter einer bekannten und angesehenen Pferdezüchterin hätte er Siegerurkunden und Pokale und Fotos ihrer Lieblingsponys erwartet, aber nichts in diesem Zimmer hatte irgendetwas mit Pferden zu tun. Dieser Umstand sprach Bände: Miriams Tochter teilte die mütterliche Passion nicht.
Mit amüsiertem Lächeln zog er ein frisches Hemd aus seiner Tasche. Vielleicht hatte er da etwas gemeinsam mit Chloe, denn auch er war ein Kind des Outback, aber er teilte die Leidenschaft seiner Eltern für den Kampf gegen die Elemente nicht.
Das Leben auf einer abgelegenen Farm war sicher die mühseligsteArt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen; zwar vermisste er die saubere Luft, die endlosen Weiten und die Erhabenheit des Busches, aber er wusste auch, wie erstickend es dort sein konnte: immer dieselben Gesichter, der gleiche Klatsch, das endlose Karussell der Scheunenbälle, Picknicks und Pferderennen, bei denen die Söhne und Töchter der Farmer ihre künftigen Ehepartner fanden, damit der Kreislauf wieder von neuem beginnen konnte. Er ahnte, dass Chloe es genauso empfunden hatte und geflohen war. Es wäre interessant, sie kennen zu lernen.
Miriam war in der Küche; sie war dabei, dicke Scheiben von einer Hammelkeule abzuschneiden und auf eine Platte zu legen. Eric hatte sich im leeren Holzkorb breit gemacht und beobachtete jede ihrer Bewegungen, und man sah, dass ihm das Wasser im Maul zusammenlief.
»Kann ich helfen?«, fragte Jake schüchtern, während er eine Dose Katzenfutter öffnete, die er aus seiner Reisetasche geholt hatte. Er war in der Küche nie zu gebrauchen gewesen, und seine Ex-Frau hatte ihn stets daraus verbannt. Jetzt ernährte er sich hauptsächlich von Take-aways und Fertiggerichten aus dem Supermarkt, die man nur zehn Minuten in die Mikrowelle zu stellen brauchte.
»Gibt nicht viel zu tun«, sagte Miriam. »Kalter Hammelbraten, Stampfkartoffeln und Rote Bete – da muss man nicht viel nachdenken.« Sie wischte sich die Hände an der Hose ab und schaute den Kater an. »Ich glaube, der erwartet mehr als nur Dosenfutter«, bemerkte sie mit strengem Unterton. »Sie verwöhnen dieses Tier, wissen Sie. Bei den wilden Katern, die wir hier auf der Farm haben, würde er keine fünf Minuten überleben.«
Eric schnupperte an dem Katzenfutter und hob die Nase in die Luft. Dann setzte er sich aufrecht zu Miriams Füßenauf den Boden und schlang den Schwanz um die Vorderpfoten, und seine gelben Augen fixierten sie entschlossen.
Jake trat von einem Fuß auf den andern. Miriam gab nach und warf ein paar Stückchen Hammelfleisch in das Schälchen. »Seine Gesellschaft ist angenehm«, sagte Jake. »Etwas Warmes, Lebendiges, wenn man abends nach Hause kommt.«
»Seit wann sind Sie geschieden?«
»Seit fünf Jahren.« Sie setzten sich an den sauber geschrubbten Tisch, und er nahm sich eine Portion Stampfkartoffeln.
»Dann wird’s Zeit, dass Sie wieder jemanden finden«, brummte Miriam. »Es ist nicht gut, wenn man zu lange allein ist. Man wird eigenbrötlerisch – selbstsüchtig. Ich weiß, wovon ich rede. Bin fast mein ganzes Leben lang allein gewesen.«
Jake nickte. »Wahrscheinlich ist es schon zu spät«, sagte er mit vollem Mund. »Welche Frau, die bei Verstand ist, würde sich mit Eric abfinden?«
Miriam sah den Kater an. Er saß jetzt am Tisch und starrte gierig auf ihr Essen. »Wenn Sie ihm ein paar Manieren beibringen und ihn daran erinnern, dass er ein Kater ist und kein Mensch, dann finden Sie vielleicht auch eine Frau, die es mit euch beiden aufnimmt.« Er lächelte, und sie erwiderte sein Lächeln freundlich. »Wie alt sind Sie denn?«, fragte sie.
Jake gewöhnte sich allmählich daran, dass sie ungehörige Fragen stellte, und beschloss mitzuspielen. »Zweiunddreißig«, sagte er. »Und Sie?«
»Alt genug, um es Ihnen lieber nicht zu verraten«, gab sie zurück.
Schweigend aßen sie zu Ende. Dann schoben sie die Teller beiseite, und Miriam legte den Kopf schräg und musterte ihn eingehend. »Mögen Sie Pferde?«
Jake war ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher