Das Versprechen des Opals
Kästen im Laderaum verstaut wurden und eine Parade fein gekleideter Erste-Klasse-Passagiere die Gangway hinaufstieg. Sie schien an seiner Seite immer kleiner zu werden, als Stimmen mit glasklarem Akzent von den Oberdecks herabwehten. »Da oben werden wir aber nicht sein, oder?«
Er schüttelte den Kopf und musste an die Kreuzfahrt denken, die er nur ein Jahr zuvor mit seinen Eltern unternommen hatte. »Wir fahren in der dritten Klasse«, antwortete er wehmütig. »Das Geld reicht sonst nicht; wir werden noch einiges brauchen, wenn wir erst in Australien sind.«
Maureen zupfte an den Bändern ihrer neuen Haube und schlug den Pelzkragen des Mantels hoch, mit dem Henry sie an diesem Morgen überrascht hatte. Ihr Haar war immer noch ziemlich kurz; sie hatte zwar schon wieder einen entzückenden schwarzen Lockenschopf, aber Henry wusste, dass sie sich in der Öffentlichkeit immer noch nackt fühlte.
Er sah, wie ihre Miene sich aufhellte, als sie im wogenden Menschenstrom die singende Mundart Südirlands vernahm. »Vielleicht wird es doch nicht so schlimm werden«, sagte sie bemüht fröhlich. »Zumindest werde ich mit Landsleuten plaudern können.«
Henry betrachtete das Gewimmel der irischen Männer und Frauen, die mit Kind und Kegel die Gangway zur dritten Klasse hinaufpolterten. Diese Reise würde ganz anders werden als seine früheren, wurde ihm klar. Er gehörte nicht mehr zur Elite, sondern war ein Teil der Masse. Aber er hatte gewusst, dass sich alles ändern würde, wenn er Maureen heiratete, und er bereute seine Entscheidung nicht. Das Leben würde viel interessanter werden. Die Schrecken Londons konnte er jetzt vergessen, undin den sechs Monaten, die die Reise nach Australien dauern würde, könnte er Pläne für ihre Zukunft schmieden.
»Lass uns an Bord gehen«, sagte Henry mit Magenkribbeln. »Es wird kalt hier unten.«
Keiner von beiden bemerkte die reglose Gestalt, die an einem Stapel Wollballen lehnte. Hätten sie es getan, so hätten sie sich vielleicht über den merkwürdig durchdringenden Blick des Fremden gewundert und voller böser Vorahnungen geschaudert.
Kate zupfte an ihrer eng anliegenden Jacke und rückte ihre Haube zurecht. Den neuen Rock und die Bluse hatte sie sich von ihrem letzten Lohn gekauft, und ihre blank geputzten Stiefel glänzten. Sie umklammerte die Tasche, die ihre weltliche Habe enthielt, und bemühte sich, ruhig und gelassen zu bleiben, aber das war schwierig. Das laute Treiben in den Londoner Docks verstärkte nur das Gefühl, dass sie ein neues Leben in einer neuen Welt begann, und sie konnte kaum still stehen.
»Bist du sicher, dass du das wirklich willst, Kate?«
Sie blickte zu dem gütigen Gesicht auf und nickte. »Ja, Father«, flüsterte sie.
»Wir alle werden dich vermissen«, sagte er betrübt. »Du bist eine tüchtige kleine Arbeiterin, wahrhaftig.«
Kate dachte an die vielen Stunden in dem zugigen, kalten Pfarrhaus, wo sie Böden geschrubbt und für die sechs Priester das Essen gekocht hatte, und sie dachte auch an die unwillkommenen Aufmerksamkeiten, die einer von ihnen ihr hatte zukommen lassen. Es fröstelte sie, als sie sich daran erinnerte, wie erschrocken sie gewesen war, als er plötzlich an ihrem Bett auftauchte, wie entsetzt, als er sich zu ihr hatte legen wollen – um sie dann an Stellen zu berühren, die kein Priester berühren sollte.
Sie hatte ihm einen Tritt versetzen können – genau da, wo es am meisten wehtat –, und danach hatte sie abends ihr Zimmer verbarrikadiert. Aber er hatte sich angewöhnt, sie tagsüber zu verfolgen und ganz unverhofft zu erscheinen, wenn sie sich allein glaubte.
Sie wusste, dass man ihr nicht glauben würde, und so hatte sie geschwiegen und angefangen, Fluchtpläne zu schmieden. Als Father Pat erzählt hatte, dass er nach Rom zu einer Konferenz reisen werde, hatte sie erkannt, dass sich eine bessere Gelegenheit nicht bieten würde.
Auf der langen Fahrt nach Süden hatte sie ihm ihre Träume von fernen Gestaden anvertraut, von der Chance, wirklich etwas aus sich zu machen – und zu ihrer Überraschung hatte er begeistert reagiert und im Handumdrehen eine neue Anstellung für sie gefunden. Ihre Schiffspassage würde Mr Reed übernehmen, ein Witwer, der nach Australien zurückkehrte und sie engagiert hatte, damit sie sich um seine beiden kleinen Kinder kümmerte. Und nun würde sie an Bord der SS Swallow gehen.
»Danke, dass Sie mir diese Stellung verschafft haben, Father«, sagte sie lächelnd. »Ich weiß
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