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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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der Sehnsucht in Rachels Augen – konnte nicht akzeptieren, dass das Schicksal ihm noch einmal einen geliebten Menschen genommen hatte. Er war taub für ihr Flehen, blind für den Schaden, den er in ihrer Ehe anrichtete, und stumm und unfähig, den eigenen Schmerz zum Ausdruck zu bringen.
    Ein Jahr später verließ Rachel ihn.
    Jake rieb sich das Gesicht und stand auf. Die Ähnlichkeit zwischen ihm und dem unglücklichen Henry war nur allzu deutlich. Im Rückblick war es leicht, die Fehler zu erkennen, die er begangen hatte – und leicht zu verstehen, warum sie ihn verlassen hatte. Aber damals hatte er auch ihren Fortgang als Verrat empfunden – ein weiteres Zeichen dafür, dass es ihm bestimmt war, einsam durchs Leben zu gehen. Er hatte alleverloren, die er je geliebt hatte. Wie konnte er da noch auf die Liebe vertrauen?
    Miriam hatte gehört, wie er aus dem Haus geschlichen war, und ihm nachgeschaut, als er auf die Weide hinauswanderte. Es war klar, dass ihn etwas beunruhigte, aber das ging sie nichts an – sie hoffte nur, dass er sie nicht enttäuschen würde.
    Sie zog sich eine Hose und einen Pullover an, schlüpfte in ihre alten Hausschuhe, nahm die Spieldose und ging in die Küche. Trotz aller Müdigkeit würde sie heute Nacht nicht mehr schlafen können; das wusste sie. Die Erinnerungen würden sie nicht in Frieden lassen, und der Gedanke an das, was sie zu erreichen versuchte, versetzte ihr Adrenalinstöße.
    Sie machte sich einen Becher Tee, setzte sich an den verschrammten alten Tisch und schaute sich in der Küche um. Als sie sie das erste Mal erblickt hatte, hatte sie ganz anders ausgesehen …
    Miriam und Bridie durchwühlten den Abraum nach allem, was der Aufmerksamkeit ihrer Väter vielleicht entgangen war. »Ich hab keine Lust mehr«, maulte Bridie, strich sich das verschwitzte Haar aus dem Gesicht und setzte sich auf die Erde. »Wollen wir nicht sehen, ob’s im Laden was zu klauen gibt?«
    Miriam schüttelte den Kopf. »Beim letzten Mal wären wir beinahe erwischt worden. Und dein Dad würde dich halb tot schlagen, wenn er wüsste, was du da treibst.«
    Bridie lachte. Sie stand auf und wischte sich die Hände an ihrer schmutzigen Hose ab. »Würde er nicht. Ganz bestimmt nicht«, sagte sie in ihrem singenden irischen Tonfall. »Mein Dad sagt, der alte Wiseman ist ein Gauner, der uns arme Digger nur ausnimmt.« Sie packte Miriam beim Arm. »Komm schon, Mim. Ich brauch dich – zum Schmiere stehen.«
    Mim riss sich los, setzte sich hin und verschränkte die Arme vor der mageren Brust. »Nein«, sagte sie entschlossen, »es ist nicht richtig. Er muss seinen Lebensunterhalt verdienen wie alle anderen auch.«
    Bridie warf das Haar zurück. »Du kriegst einen Anteil von allem, was ich erwische«, winselte sie.
    Miriam schüttelte den Kopf. Sie hatte sich beim letzten Mal überlisten lassen und war mitgegangen. Mit Entsetzen sah sie, was ihre Freundin gestohlen hatte, während Mim unschuldig mit dem Ladenbesitzer geplaudert hatte. Miriam ließ sich nicht gern benutzen und wollte keinesfalls noch einmal solche Qualen durchleiden und sich überlegen müssen, was sie mit dem Teil der Beute anfangen sollte, den Bridie ihr aufgenötigt hatte. Bridie würde wütend werden, wenn sie hörte, dass Mim alles zurückgelegt hatte, als Wiseman ihr den Rücken zugewandt hatte. »Ich komme nicht mit«, erklärte sie.
    »Angsthase!«, höhnte Bridie. »Genau wie dein Dad. Du wirst es zu nichts bringen, wenn du immer nur artig bist. Ich will nicht mehr deine Freundin sein.« Sie wandte sich ab; ihr rotes Haar loderte im Sonnenlicht, und sie hüpfte barfuß über scharfkantigen Schotter und welkes Gras.
    Miriams Gesicht brannte vor Scham, und sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Bridies Worte taten weh, aber sie wusste, dass sie nicht so schmerzhaft waren wie die Gewissensbisse, die sie bekommen würde, wenn sie Bridie den Gefallen täte. Aber Bridie war ihre einzige Freundin. Sie waren Spielkameradinnen, seit sie zwei Jahre alt war, und sie konnte sich nicht vorstellen, ohne sie auszukommen.
    Sie rappelte sich auf und wanderte langsam zu den Kaninchenfallen, die sie am Tag zuvor aufgestellt hatten. Dad würde bald zurückkommen, und sie hatte keine Ahnung, was sie zum Abendessen machen sollte, wenn die Fallen leer wären. Vielleichtsollte sie Bridies Beispiel doch folgen und das Risiko eingehen?
    Sie verwarf diesen Gedanken gleich wieder. Dad würde eine Erklärung verlangen, und sie wusste, dass sie ihn nicht

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