Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Schwebezustand und fühlte sich, als ob er gleich abheben und davonfliegen würde.
    Er setzte sich auf eine Bank, um sich an etwas festzuhalten, saß mit dem Rücken zum See und starrte auf die mit Blumenbeeten gesäumte Promenade, auf der unzählige Leute unterwegs waren. Endlich ließ er dem Gelächter freien Lauf, das in ihm hochdrängte wie die Kohlensäurebläschen in einer durchgeschüttelten Cola-Flasche. Mit einem gewaltigen Prusten machte er sich Luft und wurde bald von solchen Lachsalven geschüttelt, daß er sich festhalten mußte, um nicht von der Bank zu fallen. Die Leute wurden auf ihn aufmerksam und starrten ihn an, und ein Ehepaar blieb vor ihm stehen und fragte, ob er sich verlaufen hätte. Jeremy keuchte vor Lachen, und die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Die dachten wohl, daß er weinte, das kleine zwölfjährige Dummchen, das seine Eltern in der Menge verloren hatte und jetzt nicht wußte, was es tun sollte. Ihre Ahnungslosigkeit brachte ihn nur noch mehr zum Lachen.
    Als das Lachen schließlich verebbte, beugte er sich vor und starrte auf seine Turnschuhe. Er überlegte, was er Mrs. Ledderbeck für eine Geschichte auftischen sollte, wenn sie ihn und Tod um zehn Uhr abholen kam – vorausgesetzt die Verantwortlichen des Vergnügungsparks hatten die Leiche noch nicht identifiziert und sich mit Mrs. Ledderbeck in Verbindung gesetzt. Jetzt war es acht Uhr. »Er wollte unbedingt die Mutprobe auf der Achterbahn«, erklärte Jeremy seinen Turnschuhen. »Ich hab versucht, ihn davon abzubringen, aber er bestand darauf und nannte mich einen Blödmann, weil ich nicht mitmachen wollte. Tut mir leid, Mrs. Ledderbeck, Doktor Ledderbeck, aber so hat er halt manchmal geredet. Er dachte wohl, daß er damit unheimlich cool wirkt.« Klang schon ganz gut für den Anfang, doch sollte er noch etwas mehr Betroffenheit zeigen: »Ich wollte einfach nicht mitmachen, also ging Tod alleine los und fuhr mit dem ›Tausendfüßler‹. Ich hab' am Ausgang gewartet, und als dann all die Leute rauskamen und von diesem zerfetzten und blutigen Körper redeten, wußte ich gleich, wen sie meinten, und ich … und ich … irgendwie kriegte ich die Panik.« Das Aufsichtspersonal würde sich nicht mehr daran erinnern können, ob Tod allein oder mit einem Freund zusammen in den Wagen gestiegen war, sie hatten täglich mit Tausenden von Fahrgästen zu tun und konnten unmöglich wissen, wer allein und wer mit wem zusammen gewesen war. »Es tut mir so leid, Mrs. Ledderbeck, ich hätte es ihm ausreden müssen. Ich hätte mit ihm gehen sollen und ihn irgendwie davon abhalten. Ich komm' mir so dumm vor, so … hilflos. Warum hab' ich ihn alleine mit dem ›Tausendfüßler‹ fahren lassen? Macht so was ein bester Freund?«
    Gar nicht so übel. Er mußte noch ein wenig daran feilen, doch mußte er aufpassen, daß er nicht zu dick auftrug. Rührung ja, tränenerstickte Stimme, ja. Aber keine lauten Schluchzer oder ähnlich dramatische Effekte.
    Für Jeremy stand fest, daß er es bringen würde.
    Jetzt war er ein Meister des Spiels.
    Sowie die Geschichte glaubwürdig klang, machte sich sein Hunger bemerkbar. Ein Bärenhunger. Jeremy zitterte geradezu vor Hunger. An einer Imbißbude kaufte er sich einen Hot dog mit allem, was dazugehört – Zwiebeln, Relish, Chili, Senf, Ketchup –, und schlang ihn hinunter. Er jagte frisch gepreßten Orangensaft hinterher. Das Zittern hielt an. Als Nachtisch kaufte er sich eine Eiscremewaffel.
    Das äußere Zittern hatte aufgehört, nur innerlich bebte er noch. Nicht etwa aus Furcht. Es ähnelte vielmehr dem köstlichen Kribbeln, das ihn jedesmal überkam, wenn er einem Mädchen nachstarrte und sich vorstellte, wie es mit ihr wäre, nur unvergleichlich viel besser. Ähnlich dem aufregenden Schauer, der ihm über den Rücken lief, als er im Laguna Beach Park über den Sicherheitszaun geklettert war, sich genau an den Rand des Sandkliffs gestellt und auf die Wellen tief unten geblickt hatte, die gierig an den Felsen leckten. Dieses Gefühl, wie der Boden unter seinen Schuhen allmählich abbröckelte, immer weiter, bis zur Sohlenmitte bereits … und er hatte gewartet, gespannt darauf gewartet, ob der trügerische Boden mit einemmal unter ihm wegbrechen und ihn mitreißen würde, bevor er noch Zeit hätte, zurückzuspringen und die rettende Stange zu packen. Doch er hatte ausgeharrt und gewartet …
    Dieses erregende Kribbeln, das Jeremy jetzt empfand, übertraf alles andere noch um vieles. Es wuchs von

Weitere Kostenlose Bücher