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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gehen.
    Dann hatte Honell sie entdeckt. Immer wieder warf er ihr schräge Blicke über die Schulter zu, und seine schwimmenden Augen zwinkerten ungläubig. Schließlich kletterte er von seinem Barhocker und kam schwankend an ihren Tisch. »Entschuldigen Sie, sind Sie nicht Lindsey Sparling, die Malerin?« Sie wußte, daß er manchmal über amerikanische Kunst schrieb, aber es überraschte sie, daß er mit ihrer Malerei vertraut war und sogar sie selbst erkannte. »Stimmt«, sagte sie und hoffte insgeheim, daß er nun bloß nicht erklären möge, wie er ihre Arbeit schätzte und wer er selber war. »Ich schätze Ihre Arbeit wirklich sehr«, fing er an. »Damit will ich Sie aber wirklich nicht langweilen.« Sie bedankte sich für das Kompliment und wollte sich gerade abwenden, als er sich vorstellte. Nun war sie an der Reihe, ihm zu versichern, daß ihr seine Romane gefielen, was im Prinzip auch stimmte, nur würde sie sie von heute an in einem anderen Licht sehen. Er schien nicht der Mann zu sein, der die Liebe einer Familie seiner Kunst geopfert hatte, vielmehr schien er zur Liebe gar nicht fähig. In seiner Abgeschiedenheit mochte er ja die größtmöglichen Inspirationen für sein kreatives Schaffen erfahren; gleichzeitig blieb ihm aber auch genug Zeit, um sich selbst zu bewundern und darüber nachzusinnen, in welchen Dingen er seinen Kollegen haushoch überlegen war. Lindsey tat ihr Bestes, sich ihre Abneigung nicht anmerken zu lassen, und lobte seine Bücher, doch schien er ihre Antipathie zu spüren. Er beendete das Gespräch ziemlich rasch und kehrte zu seinem Barhocker zurück.
    Honell hatte sich danach kein einziges Mal mehr nach ihr umgedreht und auf weitere große Reden verzichtet. Er konzentrierte sich nur noch auf den Inhalt seines Glases.
    Da saß sie nun in ihrem Sessel, das aufgeschlagene Kunstmagazin auf dem Schoß, und allein beim Lesen des Namens Honell zog sich ihr bereits der Magen zusammen. Sie hatten den großen alten Mann betrunken erlebt und gesehen, wie er mehr von seiner wahren Natur preisgab, als ihm lieb sein konnte. Was die Sache aber noch schlimmer machte: Sie war eine gebildete Frau und bewegte sich in Kreisen, wo auch die Leute verkehrten, mit denen Honell bekannt war. Also sah er in ihr eine Bedrohung. Der einzige Weg, sie lahmzulegen, war ein perfekt formulierter, wenn auch ungerechter Artikel, in dem das Wesentliche ihrer Arbeit niedergemacht wurde. Sollte Lindsey danach irgendwelche Geschichten über ihn verbreiten, konnte Honell jederzeit behaupten, daß es ein Racheakt und der Wahrheitsgehalt mehr als zweifelhaft sei. Nie zuvor hatte sie eine Kritik gelesen, die so bösartig und gemein war, und doch so gekonnt geschrieben, daß der Verfasser selbst über jeden Vorwurf der persönlichen Animosität erhaben blieb.
    Als Lindsey den Artikel zu Ende gelesen hatte, legte sie das Magazin bedächtig auf den kleinen Beistelltisch. Sie hätte das Heft zwar viel lieber in eine Ecke gefeuert, doch das hätte Honell so gepaßt.
    »Ach, zum Teufel«, rief sie dann und warf die Zeitschrift mit aller Kraft quer durchs Zimmer. Sie prallte von der Wand ab und klatschte auf den Boden.
    Ihre Arbeit bedeutete Lindsey sehr viel.
    Intelligenz, Gefühl, Begabung und Können steckten darin, und selbst wenn ein Bild nicht so geriet, wie sie es sich gewünscht hatte, tat sie sich auch da schwer damit. Eine gewisse Angst spielte immer mit. Und jedesmal offenbarte sie mehr von sich selbst, als klug war. Heiterkeit und Verzweiflung hielten sich die Waage. Ein Kritiker hat das unbestrittene Recht, einen Künstler abzulehnen, wenn er nach reiflicher Überlegung sein Urteil fällt und wenigstens versucht, das Anliegen des Künstlers zu verstehen. Hier handelte es sich aber nicht um ehrliche Kritik. Das hier war in böser Absicht mit giftiger Feder geschrieben. Ihre Malerei bedeutete ihr alles, und er hatte sie in den Dreck gezogen.
    Lindsey sprang auf und begann wütend im Zimmer auf und ab zu gehen. Genau das hatte Honell mit seiner ätzenden Kritik ja nur bezweckt, daß sie sich so gehenließ. Sie konnte es auch nicht ändern.
    Wenn Hatch doch nur da wäre. Seine Gegenwart war besänftigender als ein Glas voll Whiskey.
    Sie blieb vor dem Fenster stehen, in dessen oberer rechter Ecke die schwarze Spinne inzwischen ein kunstvolles Netz gesponnen hatte. Da fiel ihr ein, daß sie ein Glas hatte holen wollen. Sie nahm noch einmal das Vergrößerungsglas zur Hand und betrachtete die Filigranarbeit des Netzes, das

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